Der Film im Spiel

“Zwischensequenzen erinnern mich an Werbeunterbrechungen im Fernsehen: Sie sind nutzlos und in der Regel schlecht gemacht.” So sprach es dereinst der Meister der schlecht gemachten Cutscenes: Peter Molyneux. Was dieser etwa mit Black & White angeboten hat, ging wirklich auf keine Kuhhaut. Nun ist die Frage, ob er sich wirklich explizit selbst mit eingeschlossen hat, als er diese markigen Worte sprach, ob seine eigenen, miesen Filmchen evtl. der Auslöser waren, oder ob er generell die Branche im Visier hatte. Ich bin ja fast geneigt, auf die zweite Option zu tippen, kann aber nicht glauben, dass er sich wirklich ein so offensichtliches Eigentor schießen würde. Aber sind diese kleinen Filmchen, die immer wieder in vielen unserer allerliebsten Lieblingsspiele auftauchen, wirklich so schlecht und überflüssig? Oder spielt der feine Herr Molyneux am Ende einfach nur die falschen Spiele? Hat er denn nie den Kiefer erstaunt auf den Fußboden knallen lassen, angesichts der unfassbar guten sowohl grafischen als auch inhaltlichen Qualität eines CGI-Zwischenfilmchens aus dem Hause Blizzard? Hat er sich denn nie zu Tränen rühren lassen von den emotional ergreifenden Filmsequenzen eines Final Fantasy-Spiels? Anscheinend nicht. Stattdessen war er offensichtlich zu sehr damit beschäftigt, wirklich hundsmiserable Cutscenes mit dämlichen Sprechern, noch dämlicheren Inhalten und absolut total dämlichen Engels- bzw. Teufelchen-Figuren für Black & White zu basteln, anstatt das Leuten zu überlassen, die es wirklich können. Wie Hideo Kojima etwa.

Mit Erwähnung dieses talentierten jungen Mannes währen wir auch schon beim eigentlichen Anlass meines Schreibens hier. Es geht nämlich derzeit die Runde, dass die – in der Vergangenheit sowieso schon alles andere als kurzen – Filmszenen in dessen neuestem Geniestreich Metal Gear Solid 4 bis zu 90 Minuten lang seien. Kann das eigentlich mittleriwele mal jemand definitiv bestätigen? Die etablierten Magazine schweigen sich in ihren Reviews zum Spiel darüber ja bislang weitestgehend aus. Nicht zuletzt wohl auch durch eine entsprechende, von Konami auferlegte NDA. Wie dem auch sei, ginge man nach Polyneux äh Molyneux, wären diese absolut überflüssig und so lästig wie eine Werbeunterbrechung. Nun gut, wer wirklich nur spielen möchte und nicht von vorherein weiß, was für einen Brocken von Spiel er sich ins Haus holt, wenn er sich ein Hideo Kojima-Spiel zulegt, der könnte zumindest letzterem zustimmen. Für den dürfte der Sinn von derart epischen Filmeinblendungen innerhalb eines Games nur sehr schwer verständlich als notwendiges Element zu erklären sein.

Wie aber sonst sollte man eine derart komplexe Story, die sich über so viele Handlungsstränge und verschiedene Epochen erstreckt, auch nur halbwegs anständig in einem Videospiel darstellen, das ansonsten, trotz seiner Schleichpassagen, auf ein absolut dynamisches Zusammenspiel von Story und Action setzt? Ohne den Spielumfang unnötig auf mehrere hundert Stunden zu strecken? Kojima mag nun zwar ein sehr extremes Extrembeispiel sein, zeigt aber trotzdem sehr gut, wie wirkungsvoll man Zwischensequenzen innerhalb eines Videospiels einsetzen kann und wie sehr diese dabei behilflich sind, eine ganz einzigartige Atmosphäre aufzubauen, die weit über das hinaus geht, was uns ein “normales” Gameplay ohne solche Sequenzen bieten könnte. Für gewöhnlich sind diese Szenen ja auch nur einige wenige Minuten lang und lassen sich – für die ganz ungeduldigen – auch einfach überspringen. Dabei läuft man aber schnell Gefahr, entscheidende Teile der Handlung einfach zu verpassen und daher in der Folge eventuell überhaupt nicht mehr mitzukommen. Die Gefahr ist gerade bei Kojima sogar noch um einiges höher als bei anderen Gamedesignern. Wo andere Studios an allen Ecken am Storytelling knapsen, stopft der fidele Japaner seine MGS-Reihe so dermaßen mit Story voll, dass diese aus allen Nähten zu platzen droht. Da wird es schon schwierig bis äußerst anstrengend, den vielen kleinen und großen Handlungssträngen zu folgen, wenn man sich hochkonzentriert den Zwischensequenzen aussetzt und darauf verzichtet, diese einfach wegzuklicken.
Wie aber sähe aber nun die Alternative aus, die ohne erzählte, rein passiv konsumierbare, Unterbrechungen auskäme und trotzdem eine komplexe, durchlaufende Story erzählen würde? Etwa so wie Bioshock? Hier versuchten sich die Macher an einem gänzlich anderen Ansatz. Statt filmischer Einsprengsel gab es überall im Spiel verstreute Audiodateien, die dem Spieler auf dem Weg durch die düstere Unterwasserwelt Rapture in kurzen Fetzen so einiges über das Schicksal der Stadt und seiner wenigen hinterbliebenen Bewohner zu berichten wußten. Das schuf ebenfalls eine sehr dichte Atmosphäre, darbte aber sehr stark an dem Umstand, dass viele Audiowiedergaben gerne mal im Kampfgefecht zu indifferenziertem Soundmatsch verkamen und eher lästig als hilfreich waren. Zudem waren wir als Spieler gezwungen, uns von alleine auf die Suche nach allen Tonbändern zu machen, um ja nicht zuviel zu verpassen. Unterm Strich auch nicht besser als eine Zwischensequenz, die man einfach wegklickt. Zusätzlich litt Bioshock an dem Problem, dass man selbst, wenn man alle Tonbandaufnahmen eingesammelt hatte, kein vollständiges Bild vor Augen hatte, sondern sich selbst zu sehr vielen Aspekten der Story einen eigenen Reim machen mußte. Wer hier nicht über ein profundes Grundwissen in Philosophie verfügte oder sich zumindest mal im Ansatz mit der Arbeit einer Ayn Rand auseinander gesetzt hatte, kam dabei nicht weit.

Warum also sollten solche Erzähl-Modelle besser sein als eine zünftige Zwischensequenz? Zumal selbst das ansonsten völlig Cutscene-freie Bioshock ausgerechnet an zentraler Stelle nicht ohne eine solche auskam, die dann auch noch tatsächlich relativ schlecht gemacht war und einen dadurch nur umso stärker aus dem Spielfluss gerissen, die Atmopshäre zerstört hat. Nene, da schau ich mir doch lieber eine schöne Cutscene an, als mich mit so etwas herumzuärgern, lieber Herr Molyneux. Bloß 90 Minuten, mein lieber Herr Gesangsverein Kojima, sind dann vielleicht doch ein wenig übertrieben. Da muss man ja gleich von Vornherein mehrere Stunden Spielzeit einplanen, weil man nie wissen kann, welcher abendfüllende Animationsfilm da wohl als nächstes auf einen zukommt. Für das schnelle Spiel zwischendurch taugt dieses Modell nun wirklich nicht mehr.

10 Comment

  1. “Kann das eigentlich mittlerweile mal jemand definitiv bestätigen?”

    Ich selber arbeite dran, könnte aber auch flott mal denjenigen fragen, mit dem ich gerade “MGS4” durchzocke. Der hat es nämlich schon einmal durch und sollte darüber bescheid wissen. Beim ersten Akt gehen die Sequenzen jedenfalls noch nicht über (gefühlte, nicht gemessene) 10 bis 15 Minuten hinaus.
    Mich selber stören die langen Zwischensequenzen bei “Metal Gear Solid” nicht sonderlich. Schließlich weiß ich ja, worauf ich mich einlasse und verfolge die Story mit all ihren Wendungen gerne. Abgesehen davon darf man bei Teil 4 ja auch hin und wieder auf die L1-Taste für andere Blickwinkel und X für Erinnerungsimpulse drücken. View all comments by Alanar

  2. Wobei man auch mal sagen muss: Selbst 10-15minütige Zwischensequenzen sprengen im Branchenvergleich ja schon ziemlich den Rahmen.
    Ich perösnlich finds nicht schlimm, bei MGS2 hat mich aber schon die schlechte Balance zwischen Spiel und Cutscenes sehr gestört. View all comments by Christian

  3. Laut Penny Arcade Forum gibt es nicht nur 90 Minuten lange Cutscenes, sondern auch eine Cutscene, bei der man wohl jemandem 10 Minuten dabei zusieht, wie er auf dem Klo hockt… und ich dachte immer nur ICH hätte solche Probleme mit der Verdauung. View all comments by m.a.

  4. Melde gehorsamst von der Cut-Scene-Front: Mein Kumpel war sich da leider nicht mehr so sicher, die letzte Zwischensequenz sei aber schon äußerst umfangreich. Zeitschätzungen vermochte er aber leider nicht vorzunehmen.
    Die letzte Zwischensequenz, die ich gesehen habe (Ende von Akt 3) war nun satte 40 Minuten lang (mit einem Speicherpunkt nach 10 Minuten). Kam mir aber wieder nicht so lang vor, da diese Szenen in meinen Augen sehr gut und spannend gemacht sind. View all comments by Alanar

  5. Ich hoffe da versteckt sich für niemand ein SPOILER bezüglich des langen Videos

    , aber im letzten Akt ist es wirklich sehr “schlimm” mit den Cut-Szenen. Es ist zwar so, dass diese kurz unterbrochen werden, im Prinzip: 10 Minuten Video, 5 Minuten spielen, 10 Minuten Video, 3 Minuten spielen, 10 Minuten Video, 2 Minuten spielen, 10 Minuten Video, 5 Minuten spielen, und dann das Abschlussvideo, welches ich nicht gestoppt habe, welches aber wirklich sehr sehr lange dauert… der letzte Akt ist also insgesamt (wenn man die Einsatzbesprechung dazurechnet) eigentlich eher Cut-Szene mit Spielunterbrüchen.

    eventueller SPOILER – ENDE

    Aber das Spiel beginnt ja auch schon mit Video, Spielen, Video, Spielen, Video Spielen usw. Kojima bewegt sich da schon seeeehr nah an der Grenze zum unerträglichen. Beim ersten Mal durchspielen ist das ja vielleicht noch egal, aber nachher nervt das eher.

    Übrigens; auch Hal hat ein MacBook Pro! Und es ist sogar am Ende noch sehr prominent in Szene gesetzt :P. (ok, neben den 6 Cinema Displays in der Basis zwar eher vernachlässigbar…) View all comments by Chreas

  6. Hal hat einen verdammt guten Geschmack 😉

    Diese ständigen Unterbrechungen fand ich bei MGS2 gegen Ende dann auch immer extrem nervig. Das war einfach kein vernünftges Spielen mehr. Auch wenn es spannend inszeniert war: wenn ich ein Videogame kaufe, erwarte ich schon, dass ich auch den Großteil der Zeit damit spielend verbringen kann. Oder gehe ich das am Ende einfach von der falschen Seite an? View all comments by Christian

  7. Na na, Christian, bist Du nicht etwas hart mit Peter? Ich finde seine Cut Scenes jetzt nicht so verkehrt. Engelchen und Teufelchen aus & White war doch ganz witzig. Klar, die MGS-Movies sehen großartig aus, aber manchmal finde ich, die tragen da etwas sehr dick auf. Das hat sicherlich oft etwas Ironisches, aber ab und zu ist es mir dann doch zu übertrieben. Kojima selbst hat mal in einem Interview gesagt, Story sei nicht so wichtig (http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/neues/games/81079/index.html), für ihn sind die Cut-Scenes vielleicht auch einfach ein Ding, wo er sich austoben kann.
    Molyneux findet, dass man mit Cut Scenes die Spieler aus dem Geschehen reisst. Da hat, glaube ich, auch einfach bei ihm ein Umdenken stattgefunden:
    “Wir müssen den Umstand ändern, dass man das Spiel spielt und die Geschichte ansieht. Das ist falsch, das zerbricht die emotionale Bindung. Du musst in der Geschichte stecken, während Du spielst. Dieser einfache Satz ändert alles. Es bedeutet, das wir nicht länger das Muster haben, ich spiele ein wenig, dann übernehmen wir und zu legst den Controller weg und schaust zu. Storytelling findet normalerweise außerhalb des Spiels statt. Wenn wir das gleiche emotionale Gefühl wie zum Beispiel beim Lesen eines Buchs, beim anschauen eines Films, erreichen wollen, müssen wir die Geschichte in das Spiel einbauen. So das Du niemals den Controller aus der Hand legst, weil Du immer in der Welt steckst. Wir müssen eben über andere Wege nachdenken, Dir eine Geschichte zu erzählen, anders, als ein Film es tut.” (http://valentina.bloglesen.de/?p=271)
    Aber, klar, es kommt einfach auf das Spiel an, ob und wie umfangreich ich die Geschichte über Videosequenzen erzähle. Bei Max Payne beispielsweise, gabs diese Comic-Strips zwischen den Leveln. Der Rest hat sich aber auch sehr gut interaktiv über das Spiel vermitelt. Da brauchte man keine minutenlangen Filmsequenzen dazwischen. View all comments by Valentina

  8. Dass die Cutscenes den Spieler aus dem Geschehen reißen, mag ich nur für schlecht gemachte Cutscenes so wirklich akzeptieren. Ansonsten finde ich dass es sehr darauf ankommt, wie diese inszeniert sind. Bei God of War etwa finde ich sie unglaublich stimmig und wichtig, bei Max Payne 2 transportieren die Comicstrips einen großen Teil der Atmosphäre, beim 2ten Teil des Ortsansässigen Bösen waren sie ein regelrechtes Belohnungsbonbon, wenn man mal wieder einen Abschnitt geschafft hatte (und dramatisch gruselig waren sie obendrein) und Final Fantasy wäre ohne Cutscenes schlichtweg nicht die legendäre Spielreihe, die die Serie heute ist. Bei Bioshock hingegen hat mich die eine, die einzige Cutscene überhaupt dann allerdings tatsächlich so dermaßen aus dem Spielgeschehen gehauen, dass ich danach fast keine Lust mehr hatte weiterzuspielen.
    Ansonsten sehe ich im Molyneux-Zitat mit der emotionalen Bindung aber tatsächlich auch genau das, worauf Spiele letztlich hinauslaufen sollten: eine wirklich gut erzählte Story, in der der Spieler sich verlieren kann. Dass sowas aber auch mit Cutscenes ganz hervorragend klappen kann und man diese nicht als Fremdkörper im Spiel erlebt, beweist gerade Final Fantasy doch immer wieder hervorragend aufs Neue. View all comments by Christian

  9. Nur so als Tipp:

    Wenn ihr euch für MGO anmeldet, und euch gerade durch die Anmelde-Prozedur kämpft (schwieriger als das Spiel!),
    achtet darauf, dass die Game ID nicht gleich wie die Konami ID sein darf.

    Habe jetzt gerade dieses Formular zum ca. 15ten Mal ausgefüllt, und zum Glück werde ich in der schweizer Version
    nicht darauf hingewiesen. Im amerikanischen Formular schon… danke Konami! View all comments by chreas

  10. Also ich steh auf Cutscenes. Sie müssen aber stimmig zur Story sein. Mir gefällt das, wenn ich mich zurück lehnen und einfach mal zusehen kann. Aber auch In-Game Zwischensequenzen finde ich gut. Das Wichtigste ist und bleibt die Story. Ich liebe Spiele, die mich aufgrund der Geschichte in ihren Bann ziehen.
    Ich würde verdammt gerne MGS4 spielen, aber die Hardware fehlt mir dazu ;P View all comments by MasteRehm

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