Die Kultur der Spielkultur

Seit ich Samstagnacht nach Hause zurückgekehrt bin, überlege ich nun nahezu verzweifelnd, wie ich Euch wohl am besten klarmachen könnte, dass ihr vergangenes Wochenende in Bochum ein zwar kleines, dafür aber sehr feines Festival verpasst habt, das es tatsächlich geschafft hat, ein sehr gelungenes und überzeugendes Programm abseits allzu vorhersehbarer Standards zu bieten und das so vor allem durch seinen Charme und seine menschliche, lockere Seite voll und ganz zu überzeugen wußte, ohne dabei das eigentliche Thema, nämlich die Spiele, oder sein Publikum, nämlich alle, vom erfahrenen Gamer bis zum Gelegenheitsspieler, vom Jugendzimmer-Rebellen bis zum interessierten Elternteil, aus den Augen zu verlieren. Verdammt, ich hatte den Satz vorhin schonmal geschrieben. Zwar genauso lang und verschachtelt, aber irgendwie schöner. Leider fiel er dem digitalen Nirvana anheim. Also mußte ich es jetzt nochmal probieren. Und nun nochmal versuchen, wie ich es am Besten sage. Ich probiere es einfach mal so: Ihr habt vergangenes Wochenende in Bochum ein zwar kleines, dafür aber sehr feines Festival verpasst, das es tatsächlich geschafft hat, ein sehr gelungenes und überzeugendes… nee, das funktioniert so nicht. Sah beim ersten Mal schon doof aus. Was ich eigentlich sagen wollte ist folgendes: Nett war’s, das Living Games Festival – und schade, dass sich von Euch niemand hat sehen lassen.

So war es nämlich leider ein wenig sehr übersichtlich. Als ich anfangs die Bochumer Jahrhunderthalle betreten hatte, dachte ich erst, das, was sich mir da bot, wäre bloß die Eingangshalle, ich wäre etwas früh dran und die Tore zur eigentlichen Halle würden sich später doch noch öffnen und den Weg zu drei verschiedenen Räumlichkeiten mit drei Bühnen frei machen. Dem war aber nicht so. Stattdessen war das, was sich uns da an Ausstellung in der Eingangshalle bot, tatsächlich schon alles. War aber alles andere als schlimm. Bei mehr Platz wären sich die Besucher wohl auch kaum noch über den Weg gelaufen. Von offizieller Seite sprach man hinterher von insgesamt knapp unter 500 Besuchern an beiden Tagen. Und das nur, weil Ihr ja unbedingt lieber die EM kucken mußtet! Verdammt!

Wärt Ihr doch lieber mal vorbeigekommen und hättet mit uns dem spaßigen Vortrag von Timo Heim von Digitale Kultur e.V. zur Entwicklung und Geschichte der Demo-Szene gelauscht. So war der arme Kerl ganz allein Spieler Zwei’s und meiner Zuhörer-Willkür ausgeliefert. Hat sich aber trotzdem wacker geschlagen und in Rekordzeit durch sein Programm geprügelt. Da der Referent sowieso keinen Bock mehr hatte und lieber unten ein Bierchen trinken wollte (“Boah, Ich hab sowas von keinen Bock. Laßt uns lieber unten ein Bier trinken.”), sind wir halt runter gegangen und haben ein Bier getrunken, während im Hintergrund noch ein paar coole Demos liefen und Spieler Zwei sich vollständig als ehemaliger Demoscene-Nerd geoutet und sein geheimes Innerstes offenbart hat. Da war ich aber schon auf dem Weg zu Stephan Reichart’s Präsentation zur “Generation Games”, nicht zuletzt auch, weil ich ja noch irgendwie so halb in offizieller Funktion für GameParents.de e.V. da war und unserem Vorsitzenden bei seiner vorangehenden kurzen Vorstellung des Vereins zumindest seelischen Beistand leisten mußte. Zur Entschädigung für diese Tortur (Sorry, das mußte ich schreiben, für den Fall, dass Rainer das hier mal lesen sollte) gab’s dann wenigstens von Herrn Reichart die freudige Nachricht, dass die Spieleeltern sich bei der nächsten Games Convention mit am Stand des G.A.M.E.-Bundesverbandes präsentieren dürfen. Wahrscheinlich hatte er nur Angst, dass unser 1. Vorsitzender ihn sonst noch häufiger am Telefon penetriert und ihn so lange auf Knien anfleht, bis er restlos klein beigibt.

Aber es ist ja für die gute Sache. Und so bekommt der Verein die Möglichkeit, sich endlich live vor Ort einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. Samt der coolen Flyer, die ich letzte Woche noch im Eiltempo zusammengestrickt habe und von denen wir direkt mal 1500 Stück in Produktion gegeben und zum Living Games Festival mitgenommen haben. Konnte ja keiner ahnen, dass Ihr lieber die EM… aber lassen wir auch das lieber und kommen endlich mal wieder zurück zum eigentlichen Thema. À propos Thema: die Themenvielfalt beim Festival konnte sich wirklich sehen lassen und hatte praktisch für jeden etwas zu bieten. Die grobe Marschrichtung dabei war dennoch klar: Games als ein Stück Kultur der Öffentlichkeit in all ihren Facetten zu präsentieren und als Kulturgut im öffentlichen Bewußtsein zu verankern. Entsprechend gab es einen schönen thematischen Rundumschlag, von den bösen Killerspielen, über das Befinden des deutschen Jugendschutzes, das gesellschaftliche und berufliche Potential von Spielern bis hin zu Berufsbildern in der Spielebranche war praktisch alles vertreten – ohne in allzu routinierte Tonlagen zu verfallen. Stattdessen gab es lockere Präsentationen, die alles andere als langweilig waren und ihr jeweiliges Thema teilweise mal von einer völlig anderen Seite angingen. Wie etwa André Peschke von Krawall.de mit seiner “ultimativen Wahrheit über Killerspiele”, in der er mit einem Augenzwinkern die 5 größten Rechtfertigungs-Floskeln von militanten Action-Games-Verfechtern entlarvte. Schön auch Reichart’s bereits kurz erwähnter Vortrag zur “Generation Games”, in dem er vor allem Potentiale der mit Spielen herangewachsenen Generation im beruflichen Sektor herausgearbeitet hat – wie die Fähigkeiten zu Multitasking, Netzwerk- und Communitybildung auf internationaler Ebene, unbefangeneres Herangehen an neue Arbeitsweisen und Technologien etc. Sehr informativ und gleichzeitig unterhaltsam bis amüsant, weil Reichart es sich nicht nehmen ließ, auch auf die Kehrseite der Medaille hinzuweisen und so manchen Gamer-Web-2.0-New-Media-Manierismus Jugendlicher auf die Schippe zu nehmen.

Hab ich schon erwähnt, dass ich die ganze Veranstaltung sehr gelungen, bloß leider etwas zu schlecht besucht, fand? Schade war aber nicht nur der ausbleibende Besucheransturm, wobei die Zahlen für das allererste Mal und mit der EM als direkter Konkurrenz sicherlich beachtlich waren, sondern auch die Positionierung der Bühnen. Dadurch, dass man sich auf die Eingangshalle der Jahrhunderthalle als Veranstaltungsfläche beschränkte, blieb leider nicht genügend Abstand zwischen den Bühnen. Während Bühne 1 und 2 am jeweils anderen Ende der Halle positioniert waren und sich so nicht groß beeinflussen konnten, sah es aber leider so aus, dass Bühne 3 direkt im Stockwerk über Bühne 1 untergebracht war – das jedoch nach allen Seiten offen war, weshalb es zu kräftigen Sound-Überlagerungen kam. Das machte es deshalb auch sehr anstrengend, den jeweiligen Rednern zu folgen, da man immer auch mit den Inhalten der jeweils anderen Bühne konfrontiert wurde. Erschwerend kam hinzu, dass am Treppenaufgang zwischen den Bühnen ein Promo-Stand für Rock Band zu finden war, der wiederum über eine eigene Beschallungs-Anlage verfügte. Wohl dem, der seinen inneren Geräuschfilter nach Belieben regulieren kann.

Aber das sind im Grunde genommen Kleinigkeiten, die man mit Sicherheit im nächsten Jahr ändern kann. Jetzt muss nur noch das Publikum etwas zahlreicher werden. Was ich mir allerdings auch noch wünschen würde: dass auch in den Ausstellungen rund um die Podiumsdiskussionen noch viel mehr Wert auf die Präsentation von Spielen als Kulturgut gelegt wird. Immerhin richtet sich die Veranstaltung zu einem großen Teil eben auch an ein Publikum, dass an Games eher unbedarft herangeht und evtl. noch nicht soviel mit dem Thema anzufangen weiß. Zumindest in der Theorie. In der Praxis waren es in diesem Jahr dann doch vor allem die Spieleprofis, die sich in der Jahrhunderthalle tummelten. Aber auch das wird sich mit Sicherheit in den nächsten Jahren noch stark wandeln…

5 Comment

  1. Hmtja, klingt ja interessant gewesen zu sein, das Festival. Leider ist mein Problem (wie vielleicht auch das einiger anderer), daß ich jetzt das erste Mal was davon höre bzw. lese.

    Nun, hättest Du VOR dem Festival davon hier auf Deinem Blog berichtet, wäre ich vielleicht hingegangen… ;-P View all comments by danowar

  2. Argh, ich kann ja nichts editieren hier, ist ja kein Forum…

    Egal, wollt nur anmerken, daß ich informationsmäßig nur Internet und Freunde als Quellen habe, weil ich zu faul/geizig für Tageszeitungen bin (wenn’s denn in denen stand). Wo wurde denn überhaupt dafür Werbung gemacht? View all comments by danowar

  3. Dem kann ich mich nur anschließen – hätte man VORHER mal was davon erfahren, hätte man ja zumindest überlegen können, ob man sich das anschaut. Da aber nicht einer der üblichen Verdächtigen sich auch nur in die Richtung geäussert hat, muss man wohl mal von mangelnder Pressearbeit ausgehen. View all comments by m.a.

  4. OK, ich hab es leider versäumt, hier was zu dem Festival zu posten. Als Kurzmeldung wäre es aber leider auch aus meiner selbst auferlegten Artikellänge gefallen, für längere Sachen hatte ich in den letzten Wochen zu wenig Zeit.
    Angekündigt wurde das Festival von mir aber unter anderem
    hier: http://www.ea-play.de/stories/rund-ums-spiel/kulturgut-spiel-living-games-festival-2008/
    und hier: http://www.gameparents.de/Joomla/index.php?option=com_content&task=view&id=243&Itemid=38

    sowie bei den üblichen Verdächtigen (Gamestar u.a., glaube ich).
    Werde mich beim nächsten Mal bemühen, das auch hier nochmal zu streuen. Sorry :-/ View all comments by Christian

  5. Hi, danke für diesen Bericht, ich werde drauf verlinken – schließlich hatte ich das Living Games Festival auf meinem Blog angekündigt, konnte aber leider nicht selbst hinfahren. Wäre bestimmt nett gewesen, schade. View all comments by Christian Roth

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