Wenn Innovationen nicht mehr kribbeln…

Da ist er also nun, der Spore Creature Creator. Eine nette Überraschung und – wenn man sich die innerhalb allerkürzester Zeit veröffentlichte aberwitzige Zahl an von Usern selbst entworfenen Kreaturen anschaut – ein aus Marketingsicht voller Erfolg. Macht aber auch wirklich Laune, sich mal eben zwischendurch hinzusetzen und ein total abgedrehtes Viech zu entwerfen. Das geht so wunderbar einfach, dass man sich schon nach kürzester Eingewöhnungszeit überhaupt nicht mehr fragt, was man da eigentlich genau für Arbeitsschritte, wie und in welcher Reihenfolge erledigt, um am Ende zum gewünschten oder überraschenden Ergebnis zu kommen. Das, was da am Ende des Schaffensprozesses von hinten gegen die virtuelle Glasscheibe klopft, sieht in den allermeisten Fällen ziemlich gut aus – sogar ohne große Anstrengungen. Dank simplem Drag & Drop und intuitiver Bedienung gelingt selbst technisch völlig unversierten Gameabstinentlern ein beachtenswertes Ergebnis. Und offenbar haben an dem Editor bereits jetzt so viele Menschen ihre Freude, dass ich nicht daran zweifle, dass bei Erscheinen der Vollversion von Spore bereits ein unvorstellbar großes Universum mit Millionen von Planeten von den bis dahin geschaffenen Kreaturen belebt sein wird. Dank Online-Funktionalität und Spore-Pedia kann man ja jetzt bereits jedes Geschöpf ohne weiteres auf die EA-Server hochladen und von dort aus seinen Freunden und der ganzen Welt präsentieren.

Feine Sache, wie gesagt. Auch wenn ich ein wenig schade finde, dass hier eine Art Zweiklassengesellschaft geschaffen wurde, indem man zum einen eine Verkaufsversion für 9,99€ in den Handel bringt, die über den vollen Umfang des Editors verfügt, und andererseits eine abgespeckte Demo-Version, die über knapp ein Viertel des Funktionsumfangs verfügen soll. Ist schon ein sehr ungewöhnlicher Weg, den EA da beschreitet, wenn sie bereits Geld für etwas nehmen, das eigentlich nichts anderes als eine Demo-Version ist – wenn auch eine bereits sehr umfangreiche. Vom eigentlichen Spiel zeigt der Creature Creator allerdings nur einen kleinen Ausschnitt, während gleichzeitig die User hergenommen werden, um praktisch schon im Vorfeld Content zu generieren, der bei VÖ der Vollversion vermutlich auch in der Spielwelt zu finden sein wird. Sehr clever: Die Community übernimmt einen Teil der Arbeit der Spieledesigner, zahlt dafür sogar noch Geld und legt anschließend auch nochmal den vollen Betrag für das fertige Game auf den Tisch. Darauf muss man erstmal kommen…

Aber das soll jetzt eigentlich gar nicht das Thema sein. Stattdessen möchte ich nochmal auf die Bedienung des Creature Creators, die Innovationen, die dahinter stehen, und den ungeheuren Aufwand, der hinter einem Titel wie Spore stehen muss, zurückkommen. Um von dort ausgehend direkt mal auf Innovationen in Spielen im Allgemeinen überzuleiten und die Frage in den Raum zu werfen: Wieso empfinde ich mittlerweile eigentlich überhaupt keine Euphorie mehr, wenn mich ein Spiel mit neuen, (vermeintlich) innovativen Spielkonzepten konfrontiert?

Um das mal kurz näher zu erklären: Es ist doch so, dass in den letzten Jahren vereinzelte Spiele oder Spielelemtente von allen Seiten immer und immer wieder hochgejubelt, hochstilisiert, frenetisch gefeiert, angepriesen und letztendlich völlig überbewertet wurden. Zumindest sehe ich persönlich letzteres so. Ein Beispiel: Half Life 2 und der Einsatz der Physik-Engine als zentrales Spielelement und die Einführung der Gravity Gun als ach so tolle neue Spielart. Schön und gut. Wurde und wird teilweise nach wie vor als das revolutionäre Gameplay-Element der letzten Jahre gelobt. Hat mich aber absolut nicht vom Hocker gerissen. Nichtmal ein müdes Zucken meiner Mundwinkel konnte es mir entlocken. Ja Mensch, Physik in Spielen (und die von Half Life 2 verwendete und als ach so unglaublich innovative neue Technik angepriesene Havoc Engine im Speziellen) gab es auch vorher schon. Da war es nur ein logischer Schritt, das sowas irgendwann auch mal stärkeren Einfluss auf die Spielmechaniken haben wird. Aber war das jetzt wirklich das nächste große Ding? War das etwa schon alles? Klar, in den ersten Tech-Demos sah das alles noch unglaublich beeindruckend aus. Aber als ich es dann selbst gespielt hab, blieb eigentlich nur ein hohles Gefühl der Marke Langeweile zurück. Weil sich die Physikexperimente schlussendlich weder sonderlich innovativ, noch aufregend spielten und die mit der Physik verbundenen Rätsel zu allem Überfluss auch noch sehr aufgesetzt anfühlten. Doch selbst wenn sich das alles richtig revolutionär gespielt hätte, angefühlt hätte es sich bei mir trotzdem eher nach “ja gut, so ist das halt, die Technik entwickelt sich halt weiter”.

Bei einem anderen, in höchsten Tönen gelobten Spiel aus dem gleichen Hause, bin ich sogar schon ziemlich frühzeitig in eine durch akute Langeweile beinahe vor dem Bildschirm eingeschlafen. Die Rede ist von Portal und die Idee mit den.. nunja: Portalen. Mal davon abgesehen, dass die Dinger auch schonmal vorher da waren (Prey, anyone?) und die Rätsel als solche, zumindest zum Ende hin, ziemlich gut umgesetzt waren –  sich auch hier bei mir irgendwie wieder keine ekstatische Gänsehaut aufgrund bahnbrechender Spielmechanik bilden. Offenbar bin ich mittlerweile völlig abgestumpft, was Innovationen in Videospielen angeht. Der Hintergedanke, der sich dabei offenbar tief im innersten meiner Gehirnwindungen vergraben hat, ist daei wohl folgender: Die technologische Entwicklung sowohl im Hard- als auch im Softwarebereich hat im Laufe unseres Heranwachsens (dem Heranwachsen der “Generation Games”, wie Stephan Reichart sie neulich bezeichnete) in dermaßen großen Sprüngen fortbewegt, dass uns doch heutzutage eigentlich gar nichts mehr überraschen kann. Vieles von dem, was wir in unserer Jugend noch für absolut unmöglich gehalten haben, ist heute für eine solche Selbstverständlichkeit, dass wir es doch eigentlich alle nur noch mit einem müden Achselzucken hinnehmen dürften, wenn plötzlich jemand um die Ecke käme und uns sagen würde, dass Beamen ab dem nächsten Jahr massentauglich wird und entsprechende Teleporter ab Ende 2010 für jedermann erschwinglich im nächsten Media Markt erhältlich sein werden. Ich meine, hey: als ich in der 7ten Klasse war, war mein dicker, Klobiger, Batterie-verschlingender Sony-Walkman das technisch höchste der Gefühle für mich und wurde nur noch von den Modellen mit eingebautem UKW-Radio übertroffen. Heute sprechen wir über derartige Technik als käme sie direkt aus dem finsteren Mittelalter. Dabei ist das gerade mal 15-20 Jahre her. Trotzdem kein Vergleich mehr zum iPod Touch, der trotz seiner ungleich schmaleren Bauweise, seiner längeren Laufzeit dank eingebauten Akkus, seiner großartigen Multitouch-Oberfläche und dem vielfachen Fassungsvermögen einer herkömmlichen Kassette heute als völlig selbstverständlich hingenommen wird.

Und genauso ergeht es mir eben mit fortschrittlichen und innovativen Spielkonzepten. Ich weiß, dass alle Technik immer weiter und immer schneller voranschreitet, weiß, dass dadurch auch die spielerischen Möglichkeiten immer stärker wachsen und nehme all das einfach als selbstverständlich hin. So wie Spore eben, das in dieser Form und in dieser Komplexität noch vor wenigen Jahren völlig undenkbar gewesen wäre und das nun bald eine völlig neue Dimension von Komplexität und sozialer Interaktion via Internet (noch so eine Sache…) ins heimische Wohnzimmer (oder wohin auch immer) bringt. So groß der Aufwand hinter Spore auch sein mag, so fortschrittlich die Technologien und Spielmechaniken dahinter, am Ende ist es doch nur ein Spiel. Und genau verschwende ich auch keinen einzigen Gedanken daran, wie toll und neu das jetzt alles sein mag. Ich spiele einfach – und es fühlt sich nicht sonderlich anders an als bei vielen anderen Spielen auch. Prozedurale Berechnung der Lebensformen? Ja OK, macht Ihr nur mal. In zwei Jahren spricht da kein Schwein mehr drüber. Raytracing, nimm Dich in Acht!

9 Comment

  1. Toller Text! Meine Gedanken gehen in ähnliche Richtungen. Ich hab mir ja schon öfters mal die finger wundgetippt, bezugnehmend auf die Idee des interaktiven (Video-) Spiels:

    Was können unsere Rechenknechte denn eigentlich alles?
    Und was davon wird wirklich spielerisch / im Spiel nutzbar gemacht? Nicht viel, will ich meinen….

    Warum hält mich das Spiel Fullscreen gefangen? In sich oft wiederholenden Szenarien? Wo ist die Interaktion, der Spielspaß und die Innovation?

    Seit Jahren nicht zu sehen! Immer das selbe Schema F! Dabei können die Kisten soviel mehr. Grade im hinblick auf die Netz-Anbindung…

    Jetzt kommt Spore! Toll! Warum nicht schon vor 5 Jahren sowas?

    Gaming 2.0?

    *würg*

    Ich freu mich drauf, versprech mir allerdings keinen echten Kick davon….mal sehen… Ne Demo gegen Kohle!? Tsss! View all comments by Chris

  2. Die letzte Innovation, die bei mir immernoch sehr kribbelt, ist dieser NIA von OCZ.
    http://www.ocztechnology.com/products/ocz_peripherals/nia-neural_impulse_actuator

    Das Ding gibts jetzt im Handel für ca. 150 EUR… und ich bin so kurz davor, mir das Teil zu holen… Meine Fantasie dreht regelrecht durch, wenn ich mir Einsatzgebiete überlege.

    Derzeit mein Favorite: Star Wars Force Unleashed mit dem NIA: Auslösen von Specials wie die “Macht” per Gedanken… HELLYEAH 😀 View all comments by laZee

  3. Vielleicht ist das Problem mit Innovationen in Games auch einfach, dass im Vorfeld von Veröffentlichungen so viel über die tollen neuen Innovationen geredet wird, so dass man sie im eigentlichen Spiel dann kaum noch wahrnimmt. Oder die Erwartungen werden so sehr in die Höhe geschraubt, dass man von dem eigentlichen Ergebnis dann kaum noch überrascht wird. Der Begriff Innovation wird auch einfach sehr inflationär gebraucht. Jede kleine Neuerung ist die Rieseninnovation und revolutioniert gleich die ganze Videospielbranche.
    Mir ging es mit der Physik in HL2 auch genau wie Dir: so richtig umgehauen hat es mich nicht. War eine nette Spielerei, aber am Ende genauso eine Waffe wie all die anderen im Spiel. View all comments by Stephen

  4. Ich kann mir einfach nicht vorstellen das Spore langfristig Spass machen wird.

    Ich glaube einfach das man die 5 Phasen des Spiels 2-3 mal durchspielt und dann wirds langweilig. Kann mr nicht vorstellen das die letzte Phase so lange fesseln wird… stelle es mir eher vor wie eine Wirtschaftssimulation für Arme.

    Naja, anschauen werd ichs mirs auf jedenfall Fall, der Editor ist gut gemacht.

    Aber eben durch die vorherhige Veröffentlichung des Tools verliert das Spiel an Interesse… View all comments by paxos

  5. Ich glaube Spore macht schon ne ganze Menge richtig. Der Hype kann natürlich zu einer Enttäuschung führen, wie so oft, wenn die Erwartung ins Unermessliche gestiegen ist. Spore soll Gaming revolutionieren. Keine leichte Aufgabe. User Generated Content über das Internet verteilt ist aber, so wie bei Little Big Planet (leider nur PS3, when it’s done), die konsequente Weiterentwicklung der Computerspiele. Modding wird nun zum offiziellem Spielinhalt erhoben. Kreativität ist gefragt. Für mich ist das ganz klar die Zukunft. Ich hoffe sehr, dass Spore und Little Big Planet ganz groß werden.
    EA findet es allerdings gar nicht witzig, wenn die Nutzer anzügliche Kreaturen entwerfen. EA droht in solchen Fällen sogar, den Account zu sperren. View all comments by Christian Roth

  6. […] Christian hat mich mit seinem Beitrag über Spore dazu gebracht, mal nachzufragen: Interessiert sich wirklich […] View all comments by Spore, anyone? « Abgespielt

  7. So, erstmal hallo zusammen und sorry, dass ich mich die letzten drei Tage nicht gemuckt habe. Der Artikel war vordatiert und meine Wenigkeit hat es sich übers Wochenende in Barcelona gutgehen lassen. Völlig ohne Rechner und so. Unglaublich, ich kann tatsächlich mal ohne.
    Werde mir nun mal was zu essen holen und mir in Ruhe alle Kommentare zu Gemüte führen. 🙂 View all comments by Christian

  8. Also dieses Gedankensteuerungszeug ist ja ganz witzig, aber wirklich ernsthaft damit spielen würde ich nicht. Dafür werde ich immer viel zu sehr von anderen Gedankengängenabgelenkt zwischendurch. Und was macht das Gerät dann, wenn ich zum Beispiel in Gedanken die nächste Email schreibe und mit überlege, was ich mir wohl am besten als nächstes kochen könnte? 😀

    Dass dieses ganze Innovationsding einfach oftmals viel zu sehr hochgehypet wird, glaube ich auch. Im Falle von Spore halte ich das gesamte Spielprinzip aber tatsächlich mal für regelrecht visionär. Allein diese prozeduralen Skelettanimationen, diese Einfachheit mit der man Figuren erstellen kann. Wenn ich dann daran denke, wie interaktiv und riesig diese Welt werden soll, möchte ich einerseits schon gerne den Hut vor Will Wright und seinen Leuten ziehen. Andererseits sitze ich dann aber davor und denke mir: ja gut, es ist ein Spiel, es ist fortschrittlich, also ist doch alles wie immer. Aber vielleicht ist das auch wirklich das eigentliche Geheimnis: das man sich trotzdem sofort und ohne große Einstiegshürde vertraut fühlt mit der Bedienung und dem Spielprinzip.

    Tja, das Anzüglichkeitsding. Das ist natürlich eines der großen Probleme, die User-generated-Content mit sich bringt. Sobald man alle Möglichkeiten erhält, irgendwas darzustellen, wird es natürlich unweigerlich Leute geben, die nur Unsinn mit sowas anstellen. Darf aber auch auf Publisher- und Entwicklerseite hinterher niemand behaupten, er hätte nicht mit sowas gerechnet. Dann müßte ich ihn leider auslachen. View all comments by Christian

  9. Spiele müssen (laut den Medienleuten) heutzutage Innovationen bieten, auch wenn sie noch so klein sind. HL2 hatte Physik, Grid hatte das Rückspulding und Max Schmärz hatte die Bullet Time. Alles schöne Innovationen! Aber wir kriegen diese im Vorfeld so oft in Trailern, Bildern und Previews vorgesetzt, dass diese beim ersten Spielen noch 5 Minuten interessant sind und dann zur Selbstverständlichkeit verkommen. View all comments by Rauschi

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