Stell’ Dir vor es ist Krieg und alle gehen hin… Erfolgreichster Entertainment-Launch aller Zeiten, die Welt spielt Krieg – und das so kurz vor Weihnachten. Während Ingame lautstark die Geschosse explodieren, war auch außerhalb einer Spielwelt jede Menge Getöse rund um Activisions neuen Vorzeigeshooter zu vernehmen. Finanzieller Hoffnungsträger, Heilsbringer des Shooter-Genres, Skandalnudel… eigentlich ist schon alles über Call of Duty: Modern Warfare 2 gesagt worden. Und bevor auch endoflevelboss.de aus nichts anderem als Meldungen zum Game besteht, sei abschließend noch kurz meine bescheidene Meinung zum Spiel hereingereicht. Bevor ich anschließend dazu übergehe Tim Schafers Brütal Legend in der Luft zu zerreißen. Doch dazu ein anderes Mal mehr…
Bringen wir es hinter uns: Die Flughafenszene
Modern Warfare 2 jedenfalls ist im Kern nichts anderes als ein brühwarmer Aufguss des direkten Vorgängers. Nur mit noch mehr Rumms und einer vielzitierten, auf den ersten Blick skandalträchtigen, auf den zweiten Blick aber einfach nur langweilig-überflüssigen Mission irgendwo in der Mitte, auf der man als Spieler wahllos auf Zivilisten ballern darf – oder eben nicht.
Was die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) für indizierungswürdig hält, präsentiert sich auch in der internationalen Fassung als spielerische Nullnummer, die völlig deplatziert in ein Gesamtgefüge gepresst wirkt, dass mit der eigentlichen Haupthandlung herzlich wenig zu tun hat. Man kann herzlich darüber streiten, ob es nun “sinnvoll” ist, derartiges zu zensieren, zu behalten oder überhaupt in ein Game zu pressen. An Inkonsequenz, Überfüssigkeit und völliger abwesenheit von Logik jedweder Art ist der im Spiel präsentierte Terroranschlag auf den Moskauer Flughafen jedenfalls kaum zu überbieten.
Klar, man kann neugierig darauf sein, wie es sich anfühlt, wehrlose Pixelzivilisten über den Haufen zu ballern, wenn vor einem herstolpern, über den Boden kriechen oder schreiend davonstürmen. Aber es ist sinnlos. Wo möglicherweise an die menschliche Empathie appelliert werden sollte, ist nichts als Leere, wo erschütterndes Aufrütteln stattfinden sollte, ist nichts als gähnende Langeweile und während sich die Entwickler insgeheim sicherlich ins Fäustchen kichern ob soviel subversiven gegen-den-Strom-Schwimmens kann man nur attestieren: als Marketing-Gag mag’s funktioniert haben – aber zu welchem Preis? Setzen, Sechs, Infinity Ward!
Soviel Stress
Ansonsten gilt: Wer den Vorgänger mochte, wird sich bei Modern Warfare 2 sofort heimisch fühlen. Die Erzählweise ist praktisch identisch mit der von Modern Warfare, der Pathos-Zuckerguss auf allem immer noch unerträglich klebrig-süß, auch wenn der Einsatz all der gestelzten Patriotismus-Wortkaskaden zum Ende hin noch soviel Sinn machen mag, und die Inszenierung ist auch diesmal wieder absolut over the top.
An allen Ecken und Enden passiert etwas, eine Script-Sequenz türmt sich auf die nächste, um die stimmungsvoll bunte Kriegswelt vor unseren Augen mit Leben zu befüllen – nur um es direkt wieder durch unser Mündungsfeuer auslöschen zu lassen. Um einen herum herrscht ständig Action, knallt und explodiert etwas, werden Befehle und Hilfeschreie gebrüllt und vermatschen zu einem einzigen großen Topf voll Chaos. Wer in Teil 1 schon permanent das Gefühl unterschwelliger Überforderung verspürt hat, angesichts von soviel Remmidemmi auf dem Bildschirm, sollte sich bei Teil 2 regelmäßige Ruhepausen gönnen, um dem ansonsten sicheren Herzkaspar vorzubeugen.
Soviel Hektik in einem Spiel war selten. Rennen, ducken, gezielt schießen, ausweichen, Granaten zurückwerfen, sich von explodierenden Autos niederstrecken und von den eigenen Panzern überrollen lassen… bloß gut, dass Hunde diesmal keine so große Rolle spielen. Harrr….
Nur selten bis nie hat man Gelegenheit, die volle Pracht der einzelnen Levels auf sich wirken zu lassen. Mögen sie eine grafische Meisterleistung sein und sich auch nicht zu weit hinter einem Uncharted 2 verstecken müssen… im Grunde genommen hat man als Spieler nicht sonderlich viel davon. Denn wo Modern Warfare 1 sich besonders durch die Inszenierung der kleinen, der stillen Momente hervorgetan hat, während derer man jede Menge Zeit und Muße hatte, sich an den astreinen Animationen und Details sattzusehen, da setzt Modern Warfare 2 auf atemlose Daueraction ohne Zeit zum Luftholen, geschweige denn zur genaueren Betrachtung der Leveldetails.
Das ist ausgesprochen schade, weil es dem Spiel viel von seiner potentiellen Atmosphäre nimmt. Stattdessen wird man ständig regelrecht durch die einzelnen Abschnitte gehetzt, damit man bloß gar nicht erst auf die Idee kommt, sich die vielen versteckten Feinheiten genauer anzusehen. War es im Vorgänger noch ein Leichtes, einen Großteil der feindlichen Aufklärungsdaten im ersten Anlauf sicherzustellen, wird man hier selbst im zweiten Anlauf kaum fündig, weil ständig so viele Gegner zielsicher auf einen einstürmen, dass man sich gar nicht traut, vom streng vorgezeichneten Pfad abzuweichen.
Nichts für Pussies
Denn das will man in den meisten Fällen schon aus einem einzigen einfachen Grund nicht: weil man sich das Leben dadurch selbst unnötig schwer macht. Ihr seht vor Euch eine Straße, bei der Ihr die Möglichkeit habt, geradeaus von Deckung zu Deckung zu hechten, oder Euch strategisch links und rechts durch die Vorgärten und Wohnzimmer zu robben? Nehmt bloß den direkten Weg, wenn Ihr nicht in der Trial & Error-Hölle landen wollt! Denn von irgendwoher, aus irgendeiner Ecke, die Ihr eigentlich für gesäubert gehalten habt, taucht garantiert noch ein Gegner auf, um Euch hinterrücks zu meucheln – und er wird gerne mal vom Euch begleitenden Squad “übersehen” und marschiert direkt unter der Nase Eurer Verbündeten vorbei in Euren Rücken! Wer also was entdecken will, begibt sich auf direktestem Weg in die Welt des Schmerzes.
Da macht es nicht unbedingt glücklicher, dass der Schwierigkeitsgrad insgesamt ganz schön angezogen hat und bereits auf “Normal” zum fordernden Biest wird. War MW1 in meinen Augen ein perfekt ausbalancierter Shooter, bei dem man stets sicher sein konnte, dass der Bildschirmtod auf die eigene Unfähigkeit zurückzuführen war, wirkt MW2 an vielen Stellen einfach nur unfair. Bestes Beispiel sind die Ausflüge in die brasilianischen Favelas, wo allein schon die Sniper so unglücklich auf den Dächern platziert sind, dass man oftmals nichtmal mitbekommt, warum zum Teufel man jetzt schon wieder draufgegangen ist. Dazu kommen dann noch Horden von auf einen einstürmenden Fußtruppen und ein paar böse Jungs mit Granatwerfern, in die man reinrennt, wenn man sich gerade freut, nach dem 15. Anlauf auf “Hardened” doch endlich 3 Häuser weitergekommen zu sein. Wie das Ganze auf “Veteran” aussieht, habe ich mir bislang noch nicht auszumalen gewagt. Ein Glück, dass die Checkpoints so nah beieinander liegen.
Alles in allem werde ich leider das Gefühl nicht los, dass derlei unfaire Passagen absolut bewusst in Kaufe genommen werden, um darüber hinwegzutäuschen, dass die Levels als solche oftmals sehr viel kürzer geraten sind als Anno 2007. Die unterm Strich dezent längere Spielzeit ergibt sich meines Erachtens einzig und allein aus all den vergeblichen Anläufen für bestimmte Passagen.
Zuviel vom Gleichen
Ein weiterer massiver Kritikpunkt, der mir bislang allzu oft nachlässig unter den Tisch gefallen lassen wurde, ist die Tatsache, dass Modern Warfare 2 nicht nur nicht allzu viel Neues zu bieten hat, sondern aus dem Vorgänger bekannte Spielelemente zu häufig aufwärmt. Ich habe irgendwann aufgegeben zu zählen, wie oft ich nach einem Granateneinschlag/Bombenangriff in unmittelbarer Nähe dramatisch zu Boden gestürzt bin, um mich bei verschwimmendem Gesichtsfeld und Fiepen in den Ohren im letzten Moment in Sicherheit zu hechten.
Im ersten Teil ist meine Spielfigur überraschend bei einem Atombombenanschlag verreckt? Da muss man noch einen obendrauf setzen, und die spielbaren Charaktere gleich 2,5 Mal sterben lassen! Mindestens! Die körnigen Schwarzweißbilder und zynischen Kommentare während des Luftbombardements im ersten Teil waren nicht genug? OK, geben wir Euch diesmal die Möglichkeit, mit einer auf der Bombe montierten Kamera direkt bis vor die Füße der Gegner zu fliegen. Handgesteuert. Großartig, oder?
Alles in allem hat sich Infinity Ward definitiv zu sehr darauf konzentriert, alles auf die Spitze zu treiben, anstatt sich auf seine inszenatorischen Stärken zu besinnen. Es ist ein bißchen wie bei der Matrix-Trilogie: Der erste Teil noch eine perfekte Balance aus Story, starken Momenten und Action pur, verkommt bereits der zweite Teil zu einem hohlen Vehikel für überdrehte CGI-Allmachtsphantasien. Dass Modern Warfare 2 am Ende trotzdem ein mehr als solider Shooter ist, liegt einzig an der ausgezeichneten Spielbarkeit und der bombastischen Gesamtinszenierung – und natürlich dem nach wie vor fantastischen Multiplayer-Teil.
Viele sollt Ihr sein
Im exzellenten Mehrspieler-Teil wird mir erstmals schmerzlich der Umstieg vom PC auf die Konsole bewusst. Auch wenn die Steuerung mit dem Pad auf der Xbox 360 absolut flüssig und intuitiv von der Hand geht und das ausgesprochen clevere Autoaiming genau den richtigen Grad an Unterstützung bereitstellt – im Multiplayer fehlt mir persönlich schlicht und ergreifend die Präzision und Reaktionsschnelligkeit, die meine MX510 mir zu PC-Zeiten untertänigst zur Verfügung gestellt hat. Vielleicht werde ich auch einfach zu alt für den Scheiß, aber einfach mal eben schnell innerhalb einer halben Sekunde umdrehen, checken was hinter einem passiert und dann unbeirrt weiter vorwärts stürmen – auf der Konsole absolult undenkbar.
Ansonsten gibt es rein spielerisch herzlich wenig am Multiplayer auszusetzen. Ein wenig schade ist es, dass mir bislang noch keine einzige Map des ersten Teils unter die Augen gekommen ist – eine Integration dieser hätte nun wirklich kein großes Problem sein dürfen. Dass man sich nun noch mehr ins Zeug legen muss, um bestimmte Perks und Waffenaufsätze zu bekommen… geschenkt. Immerhin ist das System dahinter so motivierend wie eh und je. Dass aber ausgerechnet an meinem Lieblingsmodus “Headquarters” (dem nun ein “Pro” an den Namen angehängt wurde) herumgepfuscht wurde… ist absolut unverzeilich.
War es in der ursprünglichen Fassung ohne weiteres möglich, einen neu aufpoppenden Punkt direkt einzunehmen, gibt es nun jedesmal eine gewisse zeitliche Frist, in der der einzunehmende Punkt zwar bereits vorhanden, aber noch nicht bereit ist. Die Idee dahinter ist wohl, dass beiden Seiten die Möglichkeit gegeben werden soll, rechtzeitig zum neuen HQ vorzustoßen und die Gefechte stärker auf diese Punkte zu konzentrieren. In der Praxis bedeutet das allerdings, dass beide Seite sich eine zeitlang völlig sinnfrei niederballern dürfen, ohne auf der Karte irgendwas zu erreichen. Schade.
Als ehemaliger PC-Spieler kann ich im Nachhinein das Wehklagen der Community nur allzu gut nachvollziehen, die sich darüber beschwert, dass ihr das Aufsetzen von Dedicated Servern verwehrt bleibt. Das Matchmaking ist nämlich im direkten Vergleich zu früher die reinste Katastrophe. Funktioniert zwar alles reibungslos, aber weder kann man sich seine eigenen Favoriten-Server anlegen, noch gezielt nach Maps auswählen, noch nach Sprache filtern, noch die Seite wählen, auf der man bevorzugt kämpft. Stattdessen wird man wahllos auf den erstbesten Server geschmissen, der den gewünschten Spielmodus anbietet. Ohne Rücksicht auf Verluste. Verlässt der jeweilige Host die laufende Runde, wird das Spiel unterbrochen und auf die Konsole eines anderen Teilnehmers verlagert. Nervig. Aber zumindest wird der jeweilige Spielfortschritt inklusive laufender Partie komplett übernommen und man darf genau dort weitermachen, wo man zuletzt aufgehört hat.
Dass es möglich ist, mit einer kompletten Xbox LIVE Party in ein Match einzusteigen ist schön, dass man auch hier nicht die Seite wählen kann und gezwungen wird, aus dem Partychat in den Spielchat zu wecheln, ist hingegen absolut unschön. Aber das ist wohl der Preis, den man als Konsolenbesitzer zu zahlen bereit sein muss…
Kein Meisterwerk
Modern Warfare 1 war mein definitives Spiel des Jahres 2007. Daran muss sich der Nachfolger messen lassen. Und an diesem Vergleich muss er einfach scheitern. Zuviel der immer gleichen dramatischen Momente während der Kampagne, eine im Vergleich schwächere Story, die nach wie vor unzulänglich präsentiert wird und schlechtes Balancing machen dem einen Strich durch die Rechnung. Activision Blizzard kann das egal sein, denn es hat sich bereits jetzt mehr als rentiert. Der Multiplayer wird auch in Zukunft noch für so manche spannende Schlacht sorgen, auch wenn das Matchmaking höchstens suboptimal ist. Solange der zu erwartende Download-Content noch mehr Geld in die Kassen spült ist alles in Butter. Aber dass ausgerechnet “Headquarters” als Multiplayer-Modus so verhunzt wurde… ich gräme mich immer noch.
Achso: Wenn ich noch einmal so ein oldshooliges Drecks-Tutorial vorgesetzt bekomme, kotze ich. Aber so richtig!
Ja, deckt sich weitestgehend mit meiner Meinung – IW hat’s sich ziemlich einfach gemacht bei der Fortsetzung.
Zum MP, der bei mir noch in der “Evaluierungsphase” ist trotz einiger investierter Spielzeit ;-):
– Hauptquartier wurde IMO verbessert, denn in CoD4 hatte meistens das Team einen Vorteil, das den allerersten Punkt eroberte. Denn die Verteidiger spawnten dann über die Karte verteilt, während die Angreifer alle noch am gerade eingenommenen HQ hockten.
– Und es fast NIE möglich, mit einer Party in ein Spiel zu gehen, weil die Mitspielersuche endlos dauert (anscheinend sucht das Programm erst lange nach ähnlich großen Gruppen). Dann landen oft nicht alle Party-Mitglieder im selben Team und mindestens einer fliegt auch immer raus… Grrr! View all comments by HomiSite
Singleplayer hat mir die Abwechslung gefehlt. Vor allem die etwas ruhigeren Passagen (Flugzeug, der grandiose Sniper-Part) aus MW habe ich schmerzlich vermisst. Man wird so durch die Level gehetzt, dass ich mich gar nicht an alle Schauplätze erinnern kann.
Der Multiplayer-Part liegt mir eigentlich gar nicht. Mir fehlen da die Klassen (und damit einhergehende Aufgaben) und vor allem klassenspezifische Belohnungen. Dadurch hat man trotz großer Auswahl an Waffen, Equipment und Perks nicht das Gefühl von großer Abwechslung. Das macht die Konkurrenz mit Battlefield besser.
Trotzdem unterhaltsam und über 10h habe ich auch schon auf der Uhr. View all comments by Kazoom
Der Flughafen-Level wäre akzeptabel, wenn man die Wahl hätte das Blutbad zu verhindern. So ist das doch nur billige Effekthascherei! Ein pompöser Moorhuhn-Klon. View all comments by Einzelspieler
@Einzelspieler Wenn man es verhidern könnte, wäre das Spiel an dieser Stelle aber vorbei. View all comments by Kazoom