Kleine Rheinkultur-Nachlese

Das Problem von großen Festivals ist ja leider folgendes: irgendwann sind sie einfach zu groß. Sie fangen klein, sehr klein an, da interessiert sich noch kaum eine Sau dafür, aber Hauptsache die Veranstalter haben Spaß. Nach zehn bis fünfzehn Jahren sind sie dann schon so groß, dass sie zum Einen ein wirklich gutes Lineup präsentieren können und zum Anderen dadurch bereits Menschen aus dem ganzen Lande anlocken. So, wie ein gutes Festival halt sein muss. Im Falle der Bonner Rheinkultur bedeutet das dann, dass  innerhalb der wunderschönen Rheinauen sich dem geneigten Zuschauer ein weitläufiges Areal präsentiert, über das er flanieren kann, sich zwischendurch mal wahlweise ordentlich von Punkrock oder Freejazz die Ohren durchpusten lassen kann, aber auch mehr als genügend Rückzugsmöglichkeiten zum einfach mal gemütlich in der Gegend Herumsitzen findet. Was der Zuschauer mit nach Hause nimmt, ist das beglückende Gefühl, einfach ein schönes Festival erlebt zu haben. Das war so zwischen 1997 und etwa dem vorletzten Jahr.

Dann aber geht es mit Riesenschritten auf das 25jährige Jubiläum zu und so langsam wird alles anders. Immer mehr und mehr Zuschauermassen wälzen sich in Richtung des nach wie vor kostenlosen Festivals, von dem saftigen Grün der Rheinauen ist immer weniger zu sehen, dafür bedeckt mehr und mehr Müll die Wiesen. Und wo man hinschaut sieht man praktisch nur noch eines: riesige Menschenmassen. Fanden sich etwa 1997 noch gerade einmal 100.000 Zuschauer im gesamten Verlauf des Tages ein, standen gestern allein schon fast so viele Menschen, nämlich 80.000, vor der Hauptbühne, als die die Fantastischen Vier dort auftraten. Von großartigen Rückzugsflächen kann kaum noch die Rede sein. Entsprechend entsteht im Laufe des Tages auch immer mehr der Eindruck, dass sich auch auf der allgemeinen Stimmung viel mehr Gereiztheit niederschlägt, als das in den vielen Jahren davor der Fall war. Das allergrößte Problem bei einem kostenlosen Festival dieser Größe ist nämlich leider… seine Kostenlosigkeit. Klingt paradox? Ist es eigentlich gar nicht. Die Rheinkultur ist nämlich aus einem einzigen Grund in der Lage, nach wie vor keinen einzigen Cent Eintritt nehmen zu müssen: Finanzstarke Sponsoren aus der Getränkeindustrie. Die pflastern im Gegenzug einfach das gesamte Festivalgelände mit eigenen Verkaufsständen, verlangen Preise dezent über dem Durchschnitt und machen so doch noch einen Heidenreibach. Damit das möglich ist, dürfen Zuschauer dann halt keine eigenen Getränke (außer Wasser im Tetra-Pack) mit aufs Gelände nehmen und sind deshalb zwecks Innenraumbefeuchtung auf den leicht überteuerten Ausschank der Sponsoren angewiesen.

Nun kann man bloß leider ja nicht immer mehr und mehr Getränkewagen auf die Rheinauen zerren, wenn immer mehr und mehr Zuschauer kommen. Wäre ja bestimmt auch zuviel verlangt. Außerdem nehmen die ja wiederum viel zuviel Platz weg. Die Folge sind ab Mittag endlos lange Schlangen vor den Bierwagen, in denen man locker eine halbe Stunde ansteht, weil das Personal nämlich völlig überfordert ist, einen Tunnelblick entwickelt und nur noch den halben Meter Verkaufsfläche direkt vor der eigenen Nase bedient. Der Rest der Kundschaft steht dann um den Wagen rum und entwickelt langsam ein enormes Frustpotential. Das sich dann irgendwann auch gerne mal entlädt. Pöbeleien, fliegende Becher und heftige Wortgefechte zwischen Wirt und Kunde sind dann eher die Regel als die Ausnahme. Zumal man in der Zeit natürlich auch nicht das mitbekommt, weswegen man eigentlich hergekommen ist: die Bands.

Deren Sound hat übrigens ebenfalls mit den großen Menschenmassen zu kämpfen. Steht man nämlich auch nur annähernd in Bühnennähe, wird der Ton so so sehr von der Menschenmenge zerstreut, gefressen und gedämpft, dass man – überspitzt gesagt –  teilweise nichtmal mehr erkennt, wer da eigentlich gerade spielt. Hält man sich beispielsweise bei den Fantas in Nähe des FOH auf, kommt man nichtmal annähernd in einen anständigen Hörgenuss. Dem Mischermann, der 4 Meter höher auf seinem Podest thront, wird es da schon anders gehen, der gemeine Hörer jedoch hat keine Freude. Bewegt man sich allerdings in Richtung der Hügel oder zu den Fressständen gegenüber der Bühne, klingts plötzlich gleich wieder viel besser. Das führt dann schließlich dazu, dass man sich doch lieber nochmal einen völlig überteuerten Döner kauft um sich gemütlich irgendwo in die Hügel zu hocken um aus der Entfernung dem Treiben zuzusehen. Dann mischt sich zwar gerne schonmal das Gerumpele von Sick of it All mit dem Sound der Hauptbühne, ist aber bei weitem entspannter als irgendwo da hinten in dem unglaublichen Geschiebe zu stehen. Gut, soll ja Leute geben, denen sowas gefällt. Mir nicht. Warum ich trotzdem auf Festivals gehe? Hmm…. keine Ahnung. Sitzt man nun aber so weit von der Bühne weg, sieht man aber auch nix… außer der Bühne selbst. Da könnte man sich auch genauso gut gleich eine CD einlegen. Liebe Veranstalter: Wer über viele Jahre immer über 100.000 Zuschauer versammelt und zu seinem Jubliäum sogar die Rekordzahl von 200.000 Leuten zusammen bekommt, dem sollte doch vielleicht doch irgendwann mal die Idee kommen, zumindest noch ein paar große Leinwände in die Sidewings zu hängen, oder?

Naja, egal. Die Acts an sich waren trotzdem cool. Gehört hab ich unter anderem (größtenteils aus der Ferne) die Lambchop (schön), Peter Pan Speedrock (Vollgrütze), Fire in the Attic (coole Band, aber hatten leider den mit Abstand miesesten Sound), ein paar Fetzen Madsen (live immer noch gut), die Donots (Party on, Wayne!) und eben die Fantastischen Vier. Schade, ausgerechnet die tollen Mother Tongue hab ich dann doch irgendwie verpasst. Genau so wie die – gerade live – einfach großartigen Pale. Aber dafür waren wir einfach zu spät da. Gut, dann halt beim nächsten Mal… irgendwo in einem kleinen Club. Rheinkultur 2008? Gerne auch wieder etwas kleiner

2 Comment

  1. Menschenmassen sind ja prinzipiell nicht schlecht, wenn denn die Organisation drumherum gut läuft. Genau das scheint ja nun aber bei der Rheinkultur das Problem sein. Ich kann da sonst aber nicht mitreden, die letzte halbwegs große Menschenmasse um mich herum erlebte ich bei der WM 2006 während des Public Viewing. Hingegen so richtig viele Menschen würde ich wohl auf dem “Hurricane” ertragen müssen und ich will da auch seit Jahren hin, nur kommt irgendwie mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks immer was dazwischen.

    Naja, Hauptsache du hattest letztendlich irgendwie doch deinen Spaß. View all comments by Knurrunkulus

  2. Ach, die Organisation an sich ist eigentlich sogar ziemlich gut. Aber die Wiesen sind dann doch nicht unbedingt für so viele Leute ausgelegt und das führt dann zu Problemen, für die die Organisatoren nicht unbedingt was können. Naja, Spaß hats aber trotzdem gemacht. Geht auch nicht anders, mit den Leuten, die mit waren 😉
    Die anderen großen Festivals spar ich mir immer schon allein aus dem Grund, weil ich einfach keine Lust hab mir mit den Menschenmassen auch noch 3 Tage lang alle sanitären Anlagen teilen zu müssen. Wir wissen ja, wie sowas schon nach nichtmal nem halben Tag aussieht. View all comments by Christian

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