Neues aus der Forschung

Studien zum Thema Gewalt in Computerspielen liegen ja momentan wieder voll im Trend. In den letzten Monaten gab es schon so die eine oder andere zu bewundern, die große Schwemme steht uns aber wahrscheinlich erst noch bevor. Zwei recht interessante Ansätze verfolgt derzeit die Harvard Medical School.
Die Mehrzahl aller US-amerikanischen Kinder bereits im Alter zwischen 12 und 14 Jahren stark gewalthaltige Spiele. Zu diesem Ergebnis kommt die erste Studie der Harvard Medical School (Forschungsergebnisse in englischer Sprache) in Zusammenarbeit mit dem Massachusetts Gerneral Hospital und der Michigan State University. Demnach gaben 67,9 Prozent aller befragten Jungen und immerhin noch 29,2% der Mädchen an, schon einmal ein Spiel mit einer ‘M’-Einstufung gespielt zu haben. Eine solche Einstufung durch das amerikanische Entertainment Software Rating Board (ESRB), dem Pendant zur deutschen USK, kennzeichnet Spiele, die nur für Personen ab 17 Jahren freigegeben sind.
Von über 1200 befragten Kindern gaben überhaupt lediglich 80 an, innerhalb der letzten sechs Monate kein einziges Computerspiel konsumiert zu haben, während ein Drittel der Jungen und 10,7% der Mädchen immerhin bereits jeden Tag spielen. Interessantester Punkt allerdings: Gerade einmal 5% aller befragten Kinder spielen gemeinsam mit ihren Eltern. Zwar lässt sich diese Herleitung nicht direkt aus den Ergebnissen ziehen, allerdings könnte man daraus auch überspitzt folgern: Lediglich ein sehr kleiner Teil aller Eltern ist überhaupt bereit, sich gemeinsam mit seinen Kindern mit dem Thema Computer- und Videospiele auseinander zu setzen. Wohl auch deshalb fordern die Forscher – genau wie etwa GameParents.de – vor allem eine größere Medienkompetenz, also auch mehr Interesse und Bereitschaft zur Auseinandersetzung an/mit Computer- und Videospielen, bei Eltern.

Da es sich, wie bereits erwähnt, um eine amerikanische Studie handelt, lassen sich die Ergebnisse allerdings nur bedingt auf den deutschen Sektor übertragen. Zumal das Alterseinstufungssystem in den USA teilweise grundlegend anders funktioniert als in Deutschland und vor allem Gewalt in Videospielen hierzulande gänzlich anders bewertet wird als über dem großen Teich. Dort wird Gewalt in Spielen etwa deutlich eher akzeptiert als bei uns, wohingegen beispielsweise Darstellungen oder auch nur Andeutungen sexueller Handlungen deutlich stärker geahndet werden. Gewalthaltige Spiele, die in Amerika ein ‘M’-Rating erhalten, dürften hierzulande in der Regel nicht unter 18 Jahren freigegeben sein und in vielen Fällen unter Umständen sogar rasch nach Veröffentlichung auf der Liste der indizierten Spiele landen, wodurch sie – zumindest auf legalem Wege – für deutsche Jugendliche deutlich schwieriger zugänglich sind als in den USA.

In einer weiteren Studie der Harvard Medical School soll es demnächst darum gehen, Spieleentwickler weltweit zu Sinn, möglichem Nutzen und eventuellen schädlichen Folgen von Gewalt in Computerspielen zu befragen. In einer Vorstudie aus dem Jahr 2005 hatten sich bereits 403 Entwickler aus aller Welt zu dem Thema geäußert und als Sinn von Gewaltdarstellungen vor allem drei Gründe angegeben: Gewalt treibe die Hintergrundgeschichte voran, sorge für zusätzlichen Spielspaß und – wahrscheinlich wichtigstes Argument – steigere die Verkaufszahlen. Wieviel Gewalt letztendlich in einem Spiel dargestellt wird, hängt der Vorstudie zufplge vor allem von der von den Entwicklern gewünschten Altersfreigabe ab. Was die möglichen negativen Auswirkungen exzessiver Gewaltdarstellungen angeht, zeigt man sich vor allem in Bezug auf Kinder im Alter unter zwölf Jahren besorgt. Wobei realistische Gewaltdarstellungen als ‘gefährlicher’ bewertet werden als eher unrealistische Fantasy-Gewalt. Auch Spielenetwickler und Publisher sehen im Übrigen nach wie vor ein deutliches Defizit im Bereich der Medienkompetenz bei Eltern und Erziehungsberechtigten. Diese müßten vor allem ein stärkeres Bewusstsein für die Altersfreigaben bei Computer- und Videospielen entwickeln. Mit den Verfahren zur Bestimmung der Altersfreigaben zeigten sich die Befragten durchweg zufrieden, lediglich die Kommunikation zwischen Entwicklern, Publishern und Behörden wurde bemängelt und als ausbaufähig empfunden.

Durch die nun durchgeführte Hauptstudie, die auf den Ergebnissen der Vorstudie aufbaut, soll nun vor allem dabei helfen der Öffentlichkeit und der Politik die Sichtweisen der Spieleindustrie näher zu bringen. Außerdem erhofft man sich, dadurch das generelle Niveau der öffentlichen Diskussion über Games und ihre möglichen Risiken wie Möglichkeiten deutlich anzuheben.
Bleibt zu hoffen, dass die hochgesteckten Erwartungen, welche die Forscher an sich selbst stellen, auch tatsächlich erfüllt werden können. Nicht zuletzt um endlich eine öffentliche Diskussion auf Augenhöhe mit allen Beteiligten führen zu können.