Let’s Rock!

Hört Ihr das? Dieses Schlürfen? Diesen langezogenen Ton, der an das Geräusch erinnert, das entsteht, wenn man einen billigen McDonald’s-Michshake bis ganz zum Boden des Bechers leergetrunken hat und nun krampfhaft verzweifelt versucht, auch noch den allerletzten Rest aus dem Strohhalm und von besagtem Becherboden zu bekommen, damit sich die Ausgabe wenigstens halbwegs gelohnt hat? Das ist die Milchkuh, die da gerade auf sehr ausdauernd-penetrante Art leergepumpt wird. Und dieses Surren im Hintergrund? Das ist die Schehrmaschine, die dem armen Viech das bißchen Pelz vom Leibe rupfen soll. Und im Hintergrund wetzt sogar der Metzger schon seine Messer. Guitar Hero 1, 2 & 3, Rock Band, Guitar Hero on Tour, Guitar Hero Aerosmith, Rock Band 2, Guitar Hero World Tour, Guitar Hero Rocks the 80s, Guitar Hero Metallica. Nun gut, 2 Titel gehören eigentlich nicht in die Reihe – aber irgendwie dann doch. Immerhin stecken hinter Rock Band die Leute, die den mit-Plastik-Instrumenten-vor-dem-Fernseher-posen-Boom damals überhaupt erst so richtig losgetreten haben. Wer hätte das damals jemals gedacht? Wer hätte tatsächlich auch nur ansatzweise vermutet, dass – nach all diesen Flops von ungewöhnlicher Konsolen-Peripherie in Form von Congas, Bongas und sonst noch allem – ausgerechnet ein überteuertes Stück Billigplastik samt einer kruden Sammlung metalliger Rocksongs, durchsetzt von einigen bekannteren Titeln, solch einen immensen Erfolg haben könnte?

Guitar Hero hat es geschafft, Musikspiele samt speziell gefertigter Eingabegeräte salonfähig zu machen und sich beinahe besser zu verkaufen als geschnitten Brot. Lange habe ich gezögert, doch vor ein paar Wochen hat es dann auch mich überkommen und ich habe mir das Guitar Hero I&II-Bundle samt zugehörigem roten Gibson SG-Mininachbau zugelegt. Einstöpseln und losrocken, war mein erster Gedanke. Aber ganz so einfach war es dann doch nicht. Mag sein, dass das für musikalisch eher unbedarfte Spieler eventuell einfacher ins Spiel finden. Wenn man aber glaubt, über eine gewisse musikalische Grundbildung im Bereich des 6saitigen Rockinstruments names Gitarre zu verfügen, gestaltet sich das alles doch ein wenig schwieriger als zunächst angenommen. Doch auch ansonsten bin ich doch dezent überrascht, wie Guitar Hero so ein großer Erfolg werden konnte, angesichts dieser Playlists. Selbst ich als Freund des durchaus auch mal härteren Bretts bin mit dem Großteil der Songs alles andere als vertraut. Könnte aber auch daran liegen, dass ich immer weniger dem klassischen Metal, als vielmehr dem Alternative Rock zugetan war. Die Songs zu kennen ist – meiner Meinung nach – allerdings elementare Voraussetzung, um einen Song im Spiel auch nur halbwegs akkurat “nachspielen” zu können. Gerade war Rhythmik und Notenfolgen (weniger die Akkordfolgen) angeht, ist man klar im Vorteil, wenn man weiß, was da auf einen zukommt. Wie aber mag es den unzähligen Anderen gehen, die sich Guitar Hero zweifellos ebenfalls angeschafft haben und eigentlich nichts anderes kennen als die Fiesen Tanten und billigen Plastik-Chart-Pop?

Eine wirkliche, echte Gitarre spielen zu können kann sich hingegen als ausgewachsenes Hindernis erweisen. Dann beschäftigt man sich in Gedanken mit solchen Sachen wie Strum-Patterns und solchen Nebensächlichkeiten und stellt fest, dass – zumindest in den niedrigeren Schwierigkeitsgraden – alles ganz anders ist, als gewohnt und erwartet. Da läuft das akustische Erleben dem spielerischen auch schonmal ganz kräftig zuwider. Etwa wenn Strumpatterns auch auf mittlerer Stufe noch ganz eindeutig völlig neben den wirklich gespielten und deutlich hörbaren abweichen. Oder Noten von Lead-Gitarren und Soli wie willkürlich gesetzt erscheinen. Wenn dann auch noch etwa bei “Jessica” von den Allman Brothers haargenau die gleiche Tonfolge an zwei verschiedenen Stellen durch absolut unterschiedliche Tastenkombinationen ausgelöst wird, dann läuft irgendetwas ganz gehörig falsch und ich wünsche mir, dass mein billiger schwarzer Les Paul-Nachbau nicht gerade einsam in der Ecke verstauben würde und ich doch mal wieder ein wenig mehr Energie in meinen wirklichen Guitar Hero Skills stecken würde, anstatt in das gleichnamige Spiel. Was mir dann allerdings fehlen würde wäre dieser abgefahrene Effekt, der sich einstellt, wenn man zu lange auf den Bildschirm gestarrt hat und anschließend auf ein beliebiges Objekt in seinem Zimmer schaut. Fantastisch, wie sich alles verzieht und verzerrt, wenn das Nachbild des sich stetig auf einen zu bewegenden virtuellen Gitarrenhalses noch ein wenig auf der eigenen Netzhaut nachflimmert. Wow, so muss sich Jerry Garcia regelmäßig auf der Bühne (und mit Sicherheit auch genauso abseits) gefühlt haben. Guitar Hero ist das neue LSD, Mann!

6 Comment

  1. Geile Einleitung ;P

    Ich habe GH3 für die Wii und es macht sau viel spaß. Gefällt mir viel besser als Singstar. Ach, es wird Zeit das es draußen wieder kälter wird, wir mal wieder ein paar Freunde einladen und ne Session abhalten 😀 . View all comments by MasteRehm

  2. Das ganze ist nunmal wie eine Zahnpastatube, der Kommerz. Kaum eine Plattform blieb verschont, vor kurzem durfte ich es mal auf einem Nintendo DS anspielen oder mal Nerdigerweise im Saturn auf einer X-Box anspielen… Ganz ehrlich da geh ich 10 mal lieber auf ein Konzert und schubse lieber übermütige / zugedröhnte Kiddies. Wobei es sogar schon einer auf den C64 portiert hat, glaub das wäre was für mich. 🙂 View all comments by Patrick

  3. Zugegeben, es ist ziemlich albern, zuhause alleine mit einer Plastik-Klampfe vor sich hin zu posen (es sei denn, man ist manischer Score Hunter), aber mit ein paar Freunden gibt es eigentlich kaum was besseres. Wirklich jeder – egal, ob er oder sie Rockmusik mag – ist kaum wieder von der Gitarre zu trennen. Und ich glaube auch nicht, dass man die Songs kennen muss, um Gefallen dran zu finden. Denn zum einen sind – wie du ja selber sagst – die Umsetzungen nicht immer so 100%ig koscher, und zum anderen – so ging es zumindest mir – habe ich an einigen, mir zuvor unbekannten Songs, erst durch Guitar Hero gefallen gefunden. View all comments by Vagabond

  4. Wir haben Guitar Hero 2 und 3 und Rock Band erst neulich auf dem zeltplatz gespielt – mit Beamer und Leinwand. In einer größeren Gruppe hat das wahnsinnig Spaß gemacht und nachdem ich bei Rock Band mit den Trommeln kein bißchen zurecht kam, habe ich mich immerhin getraut, zu “singen”. *hüstel* Auch wenn ich keinen Ton treffe, das hat Spaß gemacht. Ich gönne Guitar Hero und Co. den Erfolg und hoffe auch, dass es weiterhin anhält. Wenn meine (noch nicht vorhandenen) Kinder mal meine “Sing”stimme erben sollten, dann schenke ich denen auch Rock Band zum üben. 😉 View all comments by thwidra

  5. [quote]Wirklich jeder – egal, ob er oder sie Rockmusik mag – ist kaum wieder von der Gitarre zu trennen.[quote]

    Hm, ich wünschte bei meinen Freunden wäre das auch so. Ich könnte den Satz genau ins Gegenteil verkehren: nieman, wirklich niemand (bis auf Grobsen natürlich) will mit mir GH spielen. Komisch was? Muss mir glaub ich neue Freunde suchen. View all comments by Holger

  6. Muss mir glaub ich neue Freunde suchen

    Oder Online spielen 😉 View all comments by MasteRehm

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