Wie man seine Kunden verärgert, Lektion 1

aurorafeint

Digitale Distribution. Ein schönes Thema, wo wir doch gerade sowieso beim iPhone sind. Was auf dem PC mit jeder Menge DRM-Wahnsinn, Haareraufen und Kopfschütteln verbunden ist, klappt auf dem iPhone dank App-Store alles in allem doch recht vorzüglich. Selbst jemand wie ich, der sich immer wieder über aufwändige Verpackungen freut, ist froh, dass er von all den kleinen nützliche, unnützen und sinnlosen Programmen, die er im Laufe  der letzten 9 Monate auf seine mobile iPod-Internet-Telefonieplattform geschubst hat, nicht für jedes Progrämmchen eine eigene Schachtel mit Datenträger zuhause herumfliegen hat. Das klappt schon alles ganz gut so und durch die geschlossene Plattform hat man auch keinen großen Ärger mit irgendwelchem DRM-Quatsch-  obschon er de facto natürlich trotzdem vorhanden ist. Bei 79-Cent-Anwendung ist der Drang, das gekaufte Programm zurückzugeben oder weiterzuverkaufen doch recht niedrig, als das man sich über Einschränkungen à la Spore auf dem PC den Kopf zerbrechen müsste. Trotz hoher Funktionalität und  sollte man ein wenig vorsichtig sein, was man sich im App-Store shoppt. Trotz vorgelagerter Prüfung durch Apple vor dem Verkauf rutscht schonmal das ein oder andere Programm durch, das den eigenen Ansprüchen zu Datensicherheit oder Besitzverhältnissen nicht genügt. Da lagern etwa Apps die vom User eingegebenen Passwörter als unverschlüsselten Klartext ein, oder ärgern uns durch die Übermittlung des eigenen Adressbuches an den Server des App-Anbieters – wie damals im Falle von Aurora Feint: The Beginning

Ausgerechnet jenes Aurora Feint leistet sich nun den nächsten groben Schnitzer. Wer nämlich glaubt, das Spiel sei nach dem Download der Vollversion damals vollständig in den eigenen Besitz übergegangen, der wird nach dem nächsten Update verdutzt in die Röhre schauen. Dann ist es nämlich plötzlich weg. Und zwar vollständig. Inklusive der bisherigen Spielstände. Einfach ersetzt durch Aurora Feint II lite, den offiziellen Nachfolger. Was ja an und für sich ein netter Schachzug wäre, könnte man mit seinen bisherigen Spielständen einfach weitermachen. Doch iPhone-Nutzer werden es bereits richtig erkannt haben: das “lite” im Namen steht natürlich nur für die abgespeckte (Demo-)Variante des Games. Für die Vollversion wird man nochmal separat zur Kasse gebeten. Auch wenn es nur 2 Euro sind, so ist es doch äußerst ärgerlich.

Ein wenig stutzig war ich bereits, als mir der App-Store ein Update von AF2 angeboten hat, weil ich mich nicht erinnern konnte, den 2ten Teil jemals probehalber installiert zu haben. Dabei gedacht habe ich mir trotzdem erst einmal nichts, als ich dann doch den Update-Button geklickt habe. Als ich danach feststellen durfte, dass mein Original plötzlich gänzlich futsch ist und stattdessen nur noch eine – zugegeben unfangreichere – Demoversion im Flash-Speicher lagert, ist mir allerdings fast die Halskrause geplatzt.

Es stellt sich nun ja vor allem die Frage, wie die Entwicklung im App-Store voranschreitet. Wird man als Entwickler künftig nach Lust und Laune nachträglich seine verkauften Apps in Umfang und Wertigkeit durch Updates zurückstufen können? Nach dem Motto: Zahle jetzt, oder ich schränke Dir alle wichtigen Funktionen einfach ein? Derlei Gedankenmodelle liegen seit der Vorstellung der OS 3.0 Beta ja gar nicht mal so fern. Schließlich wird es ab dem Sommer, wenn die nächste Iteration des iPhone-Betriebssystems ihren Weg zu den Usern findet, für Entwickler ohne Weiteres möglich sein, Zusatzinhalte via Paid-Content-Modell ähnlich des Xbox Live DLCs anzubieten. Denkbar wären hier entsprechend auch Abo-Modelle für einzelne Anwendungen.

Nun schränkt das Aurora Feint-Update ja zumindest nicht die spielerischen Möglichkeiten ein, sondern erweitert diese sogar eher, trotzdem zeigt es, wie schnell einem als User die Hoheit über sein eigenes Handy bzw. seine installierten Programme genommen werden kann. Und das ist in meinen Augen schon bedenklich genug. Und bevor PC-User nun müde über das iPhone lächeln: schaut Euch doch einfach mal die Nutzungsbedingungen von Steam und Co. etwas genauer an und Euch wird Euer Grinsen ganz schnell wieder vergehen. Und wer mal bei einem Anbieter gekauft hat, der in der Zwischenzeit Pleite gegangen ist, wird angesichts der Unspielbarkeit seiner Einkäufe aufgrund mangelnder Aktivierungsserver auch nur noch verbittert mit den Zähnen knirschen. Schöne neue Online-Welt, hm?

4 Comment

  1. Mal in die Backups geschaut? View all comments by Ben

  2. Hatte Aurora Feint Teil 1 nicht mal diesen “Bug” adss es die Telefonbuchdaten ausgelesen und an die Entwickler geschickt hat? Naja, fand das Spiel sowieso nie besonders toll… View all comments by Haschbeutel

  3. @Ben: Hmm, da könnte man es natürlich wieder draus herstellen. Dann muss man nur jedesmal das Update verweigern (und ich hasse ja nichts mehr, als wenn an App-Symbolen irgendwelche Zahlen pappen und mich darauf hinweisen, dass ich irgendetwas noch nicht erledigt hätte..). Mit dem alten Spielstand allein könnte man auch nichts anfangen, also kann man sich die Backup-Wiederherstellung auch sparen 😉

    @Haschbeutel: So ähnlich, ja. Siehe verlinkter endoflevelboss-Artikel 😉 View all comments by Christian

  4. Zum Thema Steam: Der eklatante Unterschied ist, dass ich bei Steam soetwas noch nie erlebt habe. Und auch noch nichts davon gehört habe. Dass es theoretisch möglich ist, mag sein. Ich behaupte aber, dass Valve zu schlau ist, um so eine Nummer abzuziehen.

    Ob Valve drauf Einfluss hat, wenn ein Drittanbieter über das Steam-Netzwerk so einen Schwachsinn plant? Ich bin mir sicher, die Credibility von Steam ist Valve eine Menge wert. Damit endets wieder in einer Vertrauensfrage – und ich vertraue drauf, dass bei Steam soetwas nicht passiert. Beim iPhone widerum wundert es mich nicht sehr ;D View all comments by laZee

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