Welcome to ThE WeIrD PLaCe! – Playstation-Ads

 Heute betreibe ich einfach mal “nur” ein wenig Recycling und versuche mich an der Zweitverwertung meines Artikels zur bewegenden Geschichte der Playstation-Werbung, den ich neulich schonmal bei EA Play veröffentlicht habe, den dort aber anscheinend niemand lesen mochte. Falls es doch wer von Euch getan hat und er sich nun gelangweilt abwenden möchte: ich bemühe mich, ihn so frisch und neu erscheinen zu lassen, als hätte ich ihn gerade eben erst geschrieben.

Vor gut zwei Wochen bin ich dank Christian auf die gesammelten Werke der Sony-Werbesklaven für den Printbereich gestoßen. Dieser Umstand – und der aktuelle, unsägliche TV-Spot zu Gran Turismo 5 – haben mich dazu angeregt, auch mal die stärksten Playstation-Werbeclips Revue passieren zu lassen. Ich hatte mich ja nach “Genuss” besagter GT5-Werbung ja schonmal kurz über Sony’s Werbestrategien gewundert, insbesondere über den Sinn und Unsinn der “Third Place“-Kampagne, also hab ich mir einfach mal Youtube geschnappt und mir nochmal die Highlights der letzten mindestens 10 Jahre Playstation-Werbung angetan. Ungefiltert und unzensiert. Das volle Programm. (Achtung: Dieser Selbstversuch wurde von professionellem Stuntpersonal durchgeführt. Bitte Kinder: nicht nachmachen!). Die Essenz der ganzen Aktion gibt es hier nun als Auswahl dargeboten, völlig ohne Anspruch auf Objektivität nach meinem persönlichen Geschmack selektiert und nichtmal annähernd vollständig. Aber das versteht sich bei dem Wust an veröffentlichten Spots wohl von selbst.

Soviel steht fest: Playstation-Werbung war und ist ein Hexenkessel an wirren Ideen, noch wirreren Werbespots, markigen Claims und gruseligen Protagonisten, in dem sämtliche Zutaten trotzdem zu einem geradezu genialen Marketingmix zerköcheln und so konsequent ein Lifestyle-Feeling vermitteln, wie es kein anderer Konsolen-Hersteller bislang geschafft hat. Playstation-Werbung spielt mit dem Betrachter, seinen Gefühlen, seinem Ekel, aber auch seinem Sinn für Schönes, setzt ihn auf eine Achterbahn der Gefühle und liefert ihn so einigen Höhen und Tiefen aus, versetzt ihn in einen Sinnestaumel, der selbst im so heiß umkämpften Werbemarkt seinesgleichen suchen. Das mag jetzt ein wenig hochgegriffen daherkommen, aber wenn man sich wirklich mal konsequent mit den Playstation-Kampagnen der letztem Dekade auseinandersetzt, wird es hoffentlich doch irgendwie begreiflich. Ansonsten schiebt diese Erkenntnis bitte auf meinen nicht vorhandenen Fieberwahn ;-).

Aber gehen wir doch einfach mal chronologisch durch die Geschichte und fangen mit der Playstation (auch PSone, PSX oder Playstation 1genannt) an.
Der bekannteste Spot für Sony’s konsolisches Erstlingswerk ist gleichzeitig auch einer der verstörendsten. Nicht, dass es davon im Laufe der Zeit wenige gegeben hätte. Aber gerade zur damaligen Zeit war er geradezu bahnbrechend für einen TV-Spot. Special Effects aus dem Computer waren zwar schon Gang und Gäbe, sahen aber irgendwie noch wuäääh aus. Dann kam dieser minimalistische Clip um die Ecke und zeigte, wie es auch mit anscheinend ganz einfachen Mitteln geht.

Ein irgendwie befremdlich aussehendes Mädel spricht vor dem Hintergrund eines kargen, grau betonierten Raumes in eine Home-Videocam. Irgendwelches Zeug. Man versteht es aufgrund des starken britischen (?) Akzentes kaum. Wenn ich mich recht entsinne, hat man aber auch in der deutschen Fassung nie so recht verstanden, was sie eigentlich wollte. Macht aber nichts. Der “Mental Wealth“-Clip war so artificial, so sehr auf Style over Substance bedacht, dass die eigentliche, gesprochene Botschaft im Grunde genommen völlig egal war. Allein das “Wie” hat das Lebensgefühl, das Sony mit seiner PSX vermitteln wollte, deutlich besser rübergebracht, als es das “Warum” vermutlich je gekonnt hätte.
Dieser kleine, nichtmal einminütige Spot mit dem kränklichen Mädchen, dass aussah, als wäre es das Ergebnis eines Unfalls außerirdischer Rektalsonden-Forschung, genügte, um die erste Playstation in einen Mythos zu verwandeln, ein häßliches graues Entlein, dass durch innere Schönheit zu gefallen wußte und binnen kürzester Zeit zum Must-Have mutierte. Trotz oder gerade wegen gezielter Anti-Werbung.

 

Regisseur des Spots war niemand anders als Chris Cunningham, seines Zeichens Haus und Hof-Clipbastler von Aphex Twin und bekannt für enorm abgedrehte, in höchstem Maße verstörende Minifilmchen, die dem Zuschauer und seinem ästhetischen Empfinden regelrecht vor den Kopf stoßen wollen, ihn aus seiner gewohnten, scheinbar sicheren Gefühlswelt herausreißen und ihn mit oftmals gänzlich absurden, nahezu höllischen Ausgeburten menschlicher Phantasie konfrontieren, die geradezu an die Urängste im Betrachter appellieren. Cunningham’s Obsession ist das Abnorme, das sich hinter der “normalen” Welt versteckt, unter seiner Oberfläche lauert und sich jeden Augenblick Bahn brechen könnte. Seinen Werken wohnt entsprechend beinahe immer etwas unterschwellig bedohliches inne.
Beste Beispiele hierfür dürften wohl die Clips zu Aphex Twin’s “Come to Daddy”…

 

…und Autechre’s “Second bad vibel” sein.

Dass er aber auch anders kann, zeigt er unter anderem mit Björk’s betörend schönem “All is Full of Love”-Video.

Cunningham’s Hang zum Morbiden und sein Faible für Roboter und Creature-Designs bescherte ihm bereits in seinen Anfängen Mitte der 90er einige respektive Kollaborationen mit Regisseuren und Autoren wie David Fincher und Clive Barker, bevor er schließlich zusammen mit Stanley Kubrick an dessen unvollendetem Werk A.I. arbeitete – das nach Kubrick’s Tod von Steven Spielberg komplett verhunzt wurde.
Eine Werkschau des kreativ-kranken Geistes gibt es übrigens als DVD aus der Directors Label-Reihe, die sich einigen wenigen, dafür umso innovativeren (Clip-)Filmemachern widmet. Darunter auch Namen wie Michel Gondry (Abgedreht – Be kind rewind), Spike Jonze (Being John Malkovich) oder Anton Corbijn (unter anderem bekannt durch den Großteil aller Depeche Mode-Videos).

In eine gänzlich andere Richtung als das Werk Cunninghams geht da schon der Pseudo-Informationsfilm der fiktiven Society against Playstation (S.A.P.S.), der uns in Form eines Aufklärungsfilms über die Gefahren des Umgangs mit der grauen Spielkonsole zu berichten wußte. Ganz andere Baustelle und zwar auch nicht ganz normal, aber irgendwie mainstreamiger immerhin. Wäre heute aber wohl auch nur noch als Satire auf vermeintlich komische Werbespots denkbar. Oder ist es sogar genau das?

Machen wir einen kleinen Sprung nach vorne in der Zeit und wechseln wir die Plattform. Ende 2000 erschien auch in Europa endlich die Playstation 2 – begleitet von einer riesigen Fernseh-Kampagne, die uns an den Platz unserer Träume locken wollte: “The Third Place” schrie es uns in aller Regelmäßigkeit von der Mattscheibe entgegen. Zwar wußte keiner so recht, was das wohl bedeuten sollte, aber es war wieder einmal allen klar: das Ding muss ich haben!

Mitverantwortlich für den enormen Erfolg der Third Place-Kampagne war übrigens ein weiterer großer Filmemacher, der zuvor schon mit solchen Meisterwerken wie The Elephant Man, Dune, A straight Story, Lost Highway oder Mulholland Drive gleichermaßen zu glänzen, wie zu irritieren und in höchstem Maße verstören wußte. Die Rede ist natürlich von David Lynch, einem Mann, von dem ich zuvor nicht gedacht hätte, dass er überhaupt dazu in der Lage wäre, etwas auch nur annähernd kommerzielles zu produzieren.
So ganz falsch lag ich dabei aber nicht, immerhin steht sein Clip den Machwerken Cunninghams und seiner eigenen Filmografie in nichts nach. Wer sich beim Genuss von Lost Highway von einem wohligen Gefühl schleichenden Wahnsinns befallen sah, wird sich beim Betrachten des folgenden Spots sofort heimisch fühlen.

Sieht er so aus, der Third Place? Ein wenig erinnert er mich ja an die Schluss-Sequenz des Twin Peaks-Piloten, jener Kultserie aus den frühen 90ern, die ebenfalls vollständig auf das Genie David Lynchs zurückgeht.

Aber was ist das eigentlich, der Third Place?

So ganz kapiert hatte ich das bis vor kurzem auch nicht? Warum sollte Sony sich mit einem dritten Platz zufrieden geben? Aber natürlich meint der Ausdruck etwas ganz anderes. Im Grunde beschreibt der Begriff nichts anderes als ein soziales Umfeld, das von den beiden bekannten sozialen Gemeinplätzen, nämlich Zuhause und Arbeitsplatz abgegrenzt ist als Umfeld, in dem Freundschaften gepflegt werden, kreative Interaktion stattfindet, und das als Basis allen sozialen Lebens außerhalb von Familie und Arbeit dient. Im Grunde also nichts anderes als ein Sammelbegriff für die sozialen Aspekte unseres Freizeitlebens.
Ziel der Sony-Kampagne war es also, mit Hilfe des PS2 einen eigenen Third Place zu kreiren, der sexy und stylish daherkommt und in dem das soziale Leben pulsiert, in dem Freundschaften gepflegt und neue geknüpft werden und der auf einer eingefleischten Community aufbaut. Der Third Place wurde attraktiver (oder zumindest als attraktiver dargestellt) als die beiden anderen großen Lebensbereiche. Kein Wunder also, dass die PS2 so über alle Maßen erfolgreich war.

Natürlich war Lynch nicht der einzige Regisseur, der in die Welt des Third Place einlud. Das heißt aber nicht, dass die anderen Spots in irgendeiner Form weniger abgedreht waren. Nicht ganz so gestört, aber immer noch ziemlich bekloppt, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Gegen Ende des Lebenszyklus’ der PS2 war vom Dritten Platz dann keine Rede mehr. Stattdessen lud man jeden, der es hören wollte, ganz einfach ein: “Get on board!”, komm mit und hab Spaß. Schlicht, einfach, simpel. Und doch so überaus aufwändig inszeniert, wie nur wenige Kampagnen. FUN, Anyone?!

Gegen die beiden zurückliegenden Generationen der Playstation On Air-Kampagnen, wirkte der Auftakt zur Playstation 3 geradezu lächerlich, mickrig, zu staubtrocken und technikfixiert kamen die ersten Teaser daher. Da war ein Boxer zu sehen, der in ruhigen Bildern durch seinen Tag begleitet wurde, dazu tönte eine (seine?) Stimme aus dem Off und referierte über den Digital Lifestyle und die Vorteile hochauflösender Medien. Gähnend langweilig, wenn Ihr mich fragt – und deshalb gibt es hier auch keinen Clip dazu. Der gerechte Lohn des Ganzen war ein spöttischer Vergleichsclip zwischen der PS3 und der Wii, der die vermeintlichen Vorteile des schwarzen Entertainment-Boliden ganz nett auf die Schüppe nahm. Wer kennt ihn nicht?

Im Laufe des letzten Jahres hat Sony sich aber wieder gefangen und läuft langsam wieder zu Höchstformen auf. Indem sie was machen? Genau: erstmal wieder ein paar wirklich kranke Spots raushauen. Das Aliengirl und der Entekopf waren gruselig?
DAS hier ist richtig spooky:

Ganz ehrlich, wenn ich direkt im Anschluss an diesen Commercial losziehen würde, um mir eine PS3 ins Wohnzimmer zu stellen, hätte ich jeden Abend beim Schlafengehen Angst, dass sie sich von ihrem Platz im Wohnzimmer erhebt und mich im Schlaf auf verdammt phantasievolle Weise heimsuchen kommt.
Brrrrrrrr… schnell weiter.
Was haben wir als nächstes?
Harmlose weiße Eier?
Schon besser. Her damit!

BRRRRRR….. aaaaaaaaahhhhh!

Heute Nacht kann ich nicht schlafen, soviel steht schonmal fest.
Oha! Ein Rubik-Würfel. Endlose Beschäftigung seeliger Kindertage. Na, nun kann aber nichts mehr schief gehen, oder?

Schön, endlich mal wieder ein paar fröhliche knallige Farben, so gefällt mir das. Immer noch ein wenig zu kalt und technisiert, aber ein Schritt in die richtige Richtung, back to the roots.
In ihrer zurückgenommenen Schlichtheit, der kühlen Inszenierung und der Konzentration auf das Wesentliche, garniert mit einem extragroßen Schuss beängstigender Beklemmung erinnern vor allem der Puppen- und der Eier-Clip stark an die Arbeiten eines Chris Cunningham, womit sich ein Kreis schließt, der das gesamte Opus an Playstation-Commercials, ob gelungen oder nicht, zu einem homogenen Ganzen vereint und geschickt alle Generationen dieser einen Produktreihe auf kongeniale Weise zu einem einzigen großen Lifestyle-Produkt zusammenfassen, das mehr ist als die bloße Summe seiner selbst.

Playstation, das ist vor allem ein Gefühl, ein Lebensstil, eine Gemeinschaft, die fernab jeglicher Kommerzialität existiert und funktioniert.

This is Sparta! errrmm… living!

So zumindest wollen es uns die Werbeschaffenden verkaufen.

7 Comment

  1. doppel-not-OT: PS3 ist der MONOLIT!

    dschwoooaaaammm View all comments by anra

  2. Ich habe diese Frage schon bei Chris (also dem anderen jetzt) gepostet, versuche es hier auch mal:

    Leider fehlt mein Lieblingsposter: es ist eine Werbung für irgendeinen Tekken Teil. Ein junger Mann steht mit gespreizten Beinen da und ein Hund baumelt zwischen seinen Beinen, schön ins Gemächt verbissen. Darunter dder Satz: “Der wahre Meister kämpft nur gegen würdige Gegner.”

    Irgendjemand ne Idee, wo ich das finden kann? View all comments by Holger

  3. @anra: Sorry, vielleicht liegts auch nur an meinem desolaten Gesundheitszustand gerade, aber: ich hab kein Wort verstanden….

    @Holger: Hmm, nee, sorry. Hab ich noch nie gesehen bislang. View all comments by Christian

  4. nein, sorry ich war zu kryptisch:

    doppel-not-ot: heißt mein Kommentar ist doppelt nicht off topic – er passt sowohl zu diesem Beitrag und zu dem davor

    PS3 = Monolit: Schau dir das mal an:

    (soll übrigens keine PS3 Huldigung sein. Ich hab keine. Ist mir zu teuer.) View all comments by anra

  5. Huch – kein einbetten?

    Also dann so. Bitte watchen:
    http://de.youtube.com/watch?v=sdoA3AJ6zGE View all comments by anra

  6. Sicher dass die PS2 Ende 2004 erschien? View all comments by merc

  7. Oops, kleiner Zahlendreher. Ende 2000 ist natürlich richtig. Wird umgehend korrigiert. View all comments by Christian

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