Vom Schlachtfeld in die Werbehölle

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Auch auf die Gefahr hin momentan zu viele PC-Themen zu bringen: Darüber muss ich dann doch jetzt mal ein paar Worte verlieren. Außerdem tut sich im Konsolenlager momentan einfach zu wenig interessantes. Nintendo fährt dank Wii und DS Traumgewinne ein, das LIVE-Dashboard spinnt -völlig untyisch für Microsoft-Produkte – rum und Sony macht… nunja, was immer Sony halt so macht. Das ist alles schön und gut, so richtig spannend aber nicht. Da kommt die beinahe überraschende Meldung, dass Electronic Arts demnächst einen kostenlosen Ableger seiner Battlefield-Reihe veröffentlichen will, doch gerade recht. Und wenn man mal genauer hinschaut, stellt man zudem schnell fest, dass es eigentlich nichtmal ein PC-spezifisches Thema ist. Zunächst mag man es ja wirklich kaum glauben. Ausgerechnet Electronic Arts, die sonst alles daran setzen, möglichst noch stärker bei den Produktionskosten zu sparen, die Preisschraube nach oben zu drehen, auf schicke Spiele-Boxen zu verzichten und die selbst im Online-Vertrieb noch auf Gewinnmaximierung durch überzogene Preise setzen – ausgerechnet Electronic Arts also will die Spieler mit einem kompletten, eigenständig lauffähigem Multiplayer-Titel auf Basis eines seiner erfolgreichsten Rennpferdchen im Stall beschenken? Da muss doch was faul sein. Und tatsächlich: der kariöse Zahn im trojanischen Gaul ist schnell gefunden.

“Ingame-Werbung” heißt nämlich das Zauberwort, bei dem einige jetzt wohl schmerzhaft aufjaulen. Da wird für manchen Spieler wohl eindeutig an der falschen Stelle des großen Geldtopfes gebohrt, den die EA-Manager angesichts der enormen Wachstumspotentiale des beinahe-Massenmarktes Videogames vor ihrem geistigen Auge flimmern sehen. Ingame-Werbung soll ja das nächste große Ding in Sachen Einnahmequellen sein. So sehen es zumindest die Manager der großen Publisher. Böse Zungen hingegen behaupten ja, dass der große Werbezug längst abgefahren sei, der Effekt von Werbemaßnahmen in Spielen gegen Null tendiere und Spieler sich durch derartige Methoden nur gestört sähen. Dazu kann man stehen wie man will. Während man auf Industrie-Seite gerne mit überproportional wachsenden Produktionsbudgets durch gestiegene Anforderungen an Grafik, Sound etc. durch Next-Gen-Technik argumentiert (und deshalb gerne auch mal den Verkaufspreis seiner Spiele um schlappe 10 Euro anhebt), wehren sich Konsumenten gegen die Vorstellung vom gläsernen Spieler, dem zum Spiel ein bunter Reigen an Ad-Ware mitgeliefert wird, die sein Verhalten aufzeichnet, auswertet und ihn mit an ihn persönlich angepasster Werbung malträtiert. Zusätzlich zum natürlich in keinster Weise sinkenden Kaufpreis, versteht sich. Man könnte Battlefield Heroes deshalb auch gut und gerne als Versuch ansehen, den Markt mit einem kostenlosen Testballon an solche Maßnahmen zu gewöhnen.

Dabei gibt es gegen Werbung im Spiel generell nichtmal unbedingt etwas auszusetzen. Manchen Games würde ohne sie sogar etwas fehlen, sie kämen ohne sie weniger authentisch herüber. Die Rede ist von Sportspielen. In einem Fußball-Match auf virtuellem Rasen erwartet man einfach, dass die Banden mit Bannern real existierender Firmen bekleistert sind, weil das wesentlich zum echten Stadionflair dazugehört. Genauso verhält es sich mit Rennspielen. Wenn auf dem großen Reifen quer über die Strecke nicht Dunlop stünde, wäre es einfach nicht originalgetreu genug.

Bei anderen Titeln hingegen würde man sich wünschen, die Entwickler, respektive Publisher, hätten auf den ein oder anderen Reklame-Kontrakt verzichtet und lieber etwas mehr Mühe in die Präsentation einer anständigen Story gesetzt. Oder die zu bewerbenden Produkte wenigstens geschickter in das Gameplay integriert. Die Schleich-Werbung (höhö) für Airwaves-Kaugummis in Splinter Cell: Chaos Theory jedenfalls wirkt nicht nur überflüssiger als ein Kropf, sondern auch noch aufgesetzter als das unsäglich schlechte Product-Placement von Nescafé im russischen Erfolgsstreifen Wächter der Nacht.

So oder so: Die Herren Manager in den Chefetagen der großen Publisher scheinen jedenfalls vom Erfolg von Ingame-Werbung felsenfest überzeugt zu sein. Das ist schön. Noch schöner für sie dürften in diesem Zusammenhang aber Meldungen wie diese sein: Der britische Geheimdienst weiß nämlich neuerdings über ein gestiegenes Interesse am eigenen Recruiting-Programm zu berichten, dass er eindeutig dem Schalten einer kleinen Anzeige in Ubisoft’s Rainbow Six: Vegas zuschreibt. So sehen Erfolgsmeldungen aus. Der Plan scheint aufzugehen. Die Werbekunden sind überzeugt, die Endkunden wehren sich praktisch nicht und schon wird Geld verdient. Damit das vermeintlich gute Geschäft nicht völlig an ihnen vorbeigeht, hat sich Microsoft deshalb bereits Anfang letzten Jahres beeilt, den Vorreiter in Sachen ingame-Vermarktung – Massive Inc. – komplett zu übernehmen.

Doch zurück zu Battlefield Heroes. Als EA-Chef John Riccitiello bei seinem Amtsantritt im Juli letzten Jahres verkündete, künftig auch deutlich stärker auf die Erschließung neuer Zielgruppen zu fokussieren, da hatte ich eigentlich zunächst einmal anderes im Sinn als das nun vorgestellte Geschäftmodell. Ich träumte von einer besseren Welt, in der uns wirklich neue und innovative Spielkonzepte präsentiert würden, die sowohl Gelegenheitsspieler, als auch Veteranen gleichermaßen ansprechen. Zugegeben, das war ganz schön naiv. Dass man aber einfach hingehen und bekannte Spiele in eine neue Hülle stecken würde, aufgehübscht und mit gefälliger, dem Massenmarkt angepasster Comicgrafik, damit hätte ich nicht gerechnet. Ich muss aber zugestehen: Der Gedanke dahinter ist genauso einfach wie genial. Nimm ein Spiel, auf das sowieso schon möglichst viele Hardcore-Gamer abfahren, öffne es für die breite Masse, hau es umsonst raus und hol Dir das Geld auf anderem Weg wieder und dann sieh, verdammt nochmal, zu, dass die neu erschlossene Spielerschaft gefälligst im Anschluss losläuft und sich noch mehr Angebote aus Deiner eigenen Product-Range zulegt.

Die Frage, die sich mir nun zwangsläufig stellt ist: funktioniert es tatsächlich so? Hat zufällig mal jemand die Zahlen der Ubisoft-Aktion, bei der die Franzosen damals unter anderem Rayman: Raving Rabbids mit eingebettetem Werbemodul für lau verschleudert haben? War das wirklich ein Erfolg? Oder ging der Schuss eher nach hinten los? Immerhin war es damals ohne weiteres möglich, die nervigen Werbe-Einblendungen mittels einfachster Mittel (sprich: Firewall) vollständig zu unterdrücken. Ob das so im Sinne der zahlenden Werbekundschaft war? Oder sind es eher Modelle wie der Online-Dienst Gametap, die in Zukunft erfolgreich Werbewirtschaft und Games-Industrie zusammenbringen, indem sie hin und wieder mal Knaller wie Teile der Hitman-Reihe oder Tomb Raider: Legends kostenlos zu Verfügung stellen, alle Titel aber strikt an ihre eigene Plattform à la Steam koppeln und diese konsequent mit Werbung aller Art zukleistern? Könnte ebenso funktionieren. Bei Gametap wird man nicht im Spiel selbst mit Reklame zugeschissen, sondern vor jedem Spielstart, zum Beispiel mit Trailern – es sei denn, man bezahlt für seinen Account. Der Nachteil bei der Sache: Publisher verdienen nichts an dem Modell. Die Chancen, dass nun aber künftig jeder sein eigenes Portal nach diesem Vorbild eröffnet und damit Erfolg hat, dürften auch eher gering ausfallen, da sowas alles andere als komfortabel für den Kunden ist. Der hat auch so schon mehr als genug damit zu tun, all seine Web 2.0-Accounts zu verwalten. Außerdem sollten wir nicht vergessen: es geht um den Massenmarkt, um die noch unerschlossenen oder zumindest weitestgehend von Spielen unbeleckten Käuferschichten, die sich bislang wenig um die Materie Games und eDistribution geschert haben. Ob man diese Schicht aber ausgerechnet mit einem Spiel wie Battlefield Heroes adäquat abschöpfen kann, wage ich allerdings zu bezweifeln. Erreicht werden dürften mit der Multiplayer-Ballerei vor allem Leute, denen das Zocken zumindest annähernd nahesteht und die sich von dem kriegerischen Grundthema nicht abschrecken lassen. Der klassische FAZ-Leser ist damit also schonmal nicht gemeint, sondern eher die jugendliche und junggebliebene Front an potentiellen Kunden. Dem Rest jubelt man vielleicht lieber erstmal einen kostenlosen Die Sims-Abklatsch unter, bevor man sich auf klassische Ballerei verlegt. Aber die Sims verkaufen sich sowieso schon besser als geschnitten Brot, warum sollte man sich also zu solch einem Schritt hinreißen lassen?

Aber wahrscheinlich liege ich mit all dem auch völlig falsch und es geht sowieso nicht um die Erschließung neuer Käuferschichten, sondern schlicht und ergreifend um möglichst viele persönliche Informationen der versammelten Gamerschaft, die EA und Konsorten sowieso schon hörig ist. Du magst Battlefield, Battlefield 2 und all seine Derivate? Dich stört nicht, dass in Battlefield 2142 an allen Ecken und Enden Plakatwände kleben, die registrieren, wie lange Du darauf schaust und welche Werbung Dich besonders interessiert? Super! Dann zieh Dir doch mal Battlefield Heroes und werde für uns zum gläsernen Kunden, gib uns alle Deine Interessen Preis, am besten gekoppelt an sämtliche Deiner Systemdaten, inklusive IP, Standort etc. und wir vermarkten Dich allumfassend an sämtliche unserer Werbekunden und machen aus Dir einen besseren Kunden. Einen konsumfreudigeren. Einen, der uns alles abkauft und uns verdammt nochmal reich macht.

Ja, so könnte es wirklich laufen. Und warum sollte sich irgendwer daran stören? Höre ich da “Eingriff in die Privatsphäre” als Einwurf? Und wer von den Gegenstimmen nutzt bitteschön Windows XP ohne Tools wie XPAntispy? Wer nutzt ausgiebigst Google samt seinen vielen angenehmen Diensten wie Gmail, Maps oder Picasa? Wer hat lautstark gegen die Vorratsdatenspeicherung protestiert? Oder die neuen AGB des StudiVZs abgelehnt? Werbemodule in kostenlosen Spielen werden scheitern? Ubisofts kleine Geschenkaktion letztes Jahr war bereits der Anfang vom Ende? Ich glaube nicht. Ich glaube, der Spaß geht gerade erst los und wird ein Riesenerfolg. Aber lassen wir uns einfach mal überraschen, hmm?

6 Comment

  1. Allgemeine Geschäftsbedingungens? 😉 View all comments by Paul

  2. Stellt sich nur die Frage, in wie fern wir nicht ohnehin schon gläserne Spieler sind. Auf Konsolen hat der Hersteller grundsätzlich schon einmal beinahe die volle Kontrolle über Hardware und Software und könnte so seit die Konsolen auch Internet-fähig sind prinzipiell jederzeit das Nutzungsverhalten analysieren (wenn zum Glück auch keine Emails, Textdokumente etc. auf der Konsole rumliegen) und auch was den PC angeht kann ich mich noch dunkel daran erinnern, dass es bereits um StarCraft damals eine Kontroverse gab, weil Blizzard sich bei einem Spielupdate zur Bekämpfung der Cheater umfassenden Systemzugriff in der EULA genehmigt hatte. Und bei neueren Online-Spielen wie WoW hat sich an der Problematik ja nichts geändert. View all comments by ahe

  3. Quelle? ich meine in dem pc-games interview (das anscheinend leider nicht mehr online ist) gehört zu haben das es keine ingame Werbung bei BFheroes geben soll. Man muss das Spiel zwingend über die Webseite starten und da soll es dann Werbung geben. Ingame Werbung würde nicht zum Spiel passen. Und den reibach will EA mit Extras ala neue Klamotten (Hüte, Jacken was weiss ich) machen. Das Vorbild soll ein asiatischer FIFA Ableger sein, bei dem das Prinzip anscheinend grossartig funktioniert. View all comments by Hans

  4. OK, bei Gamestar.de heißt es:

    “Finanzieren soll sich das Spiel in erster Linie durch Werbe-Einblendungen. Diese finden sich jedoch nicht wie im Vorgänger Battlefield 2142 direkt auf den Karten sondern werden im Spielmenü und der Spiel-Website angezeigt. An dem Internetportal kommen Sie nicht vorbei: nur über eine Start-Schaltfläche auf der Seite können sie sich in die Schlacht stürzen, eine Desktop-Verknüpfung zu Battlefield Heroes wird nicht möglich sein.”

    Quelle

    Selbst wenn sie also nicht direkt ins Spielgeschehen selbst integriert ist, würde ich diese Art der Werbung jetzt eder Einfachheit halber trotzdem mal als Ingame-Werbung klassifizieren (allein schon wegen der Einblendungen im Spielmenü).
    Ich habe mich im Artikel ja auch letztlich nicht auf eine Werbeform festgelegt, sondern Battlefield Heroes lediglich als Aufhänger dafür genommen, wie Werbung in Spielen aussehen kann bzw. aussieht und versucht eine Standortbestimmung zu liefern und mal generell die Frage aufzuwerfen, wohin die Reise künftig gehen könnte.

    Selbst wenn das Spiel also nur über eine Website zu starten ist, Werbung “lediglich” dort und im Startmenü zu sehen ist (was ich erst glaube, wenn ich es sehe) und die Macher zusätzlich noch Gelder über den Verkauf von Ingame-Items abschöpfen wollen, ändert das also im Grunde nichts an der Gültigkeit des Artikels.

    @ahe: Ganz meine Meinung View all comments by Christian

  5. […] kann es ja normalerweise überhaupt nicht lassen, an Spielmodellen rumzukritteln, die auf die Refinanzierung durch Werbung setzen. Das hat immer so einen faden Beigeschmack von […] View all comments by end of level boss » Artikel » Spaß durch Werbung

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