Wohin soll’s gehen?

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Vor etwas über zwei Monaten hatte ich schon einmal kurz darüber berichtet, dass der WAZ-Konzern alle seine Zeitungs-Websites zu einem einzigen großen, eierlegende-Wollmilchsau-Web-2.0-Konstrukt namens “Der Westen” zusammengelegt hat und innerhalb dieses neu geschaffenen Portals künftig auch den eSport gleichberechtigt im Sportteil featuren möchte. Damals habe ich das für einen lobenswerten Ansatz gehalten, immerhin schien es, dass endlich auch in den Köpfen der großen Redaktionen angekommen ist, dass es in der öffentlichen Berichterstattung nicht ausreicht, Computer- und Videospiele auf als gegeben vorausgesetzte Zusammenhänge mit Gewalttaten zu reduzieren. Vielmehr konnte man das Zeichen, das von der präsentierten Gleichstellung des eSports mit ‘gewöhnlichen’, etablierten Sportarten ausging eher dahingehend interpretieren, dass tatsächlich ein ernsthaftes Interesse an einem immer stärker um sich greifenden Massenmedium besteht, dass Computer- und Videospiele als Kulturgut akzeptiert sind und man sich künftig – zumindest in der Redaktion von Der Westen – intensiver und ausführlicher mit diesem Gut beschäftigt und ihm endlich den Platz in der Berichterstattung einräumt, den es schon seit langem verdient hat. Sozusagen als Gleicher unter Gleichen. Aber irgendwie scheinen es sich die Autoren ein bißchen zu leicht machen zu wollen.

Nicht nur, dass der eSport alles andere als gleichwertig neben anderen Sportarten dargestellt wird, der bislang veröffentlichte Content zum Thema läßt insgesamt mehr als zu wünschen übrig. Was haben wir da? Einen Artikel über die Nicknames von einigen Spielern, Erinnerungen der Redakteure an die spielerischen Weihnachtsgeschenke vergangener Zeit und der geradezu unvermeidliche Artikel über die unausweichlichen und omnipräsenten Fifa-Zwillinge. Versteht mich nicht falsch: Die Schellhases haben – traurig aber wahr – für das Ansehen von Spielen in der Öffentlichkeit mehr getan und erreicht, als der BIU, der G.A.M.E. und sämtliche Publisher zusammen. Indem sie einfach ihr Ding durchgezogen, sprich: gespielt haben. Und darüber öffentlich erzählt haben. Aber um eine ernsthafte Berichterstattung zum Thema eSport zu bieten, reicht ein so gehaltloses Interview allein dann doch nicht. Das hat man bei Spiegel Online und zig anderen Magazinen, Zeitungen und Zeitschriften, die sich normalerweise nicht im entferntesten für Games interessieren, schon besser gelesen. Und dann wären da noch solche schreiberischen Super-GAUs wie den Mini-Bericht zu den “Knaller(n) des Jahres“, einer Vorschau auf die zu erwartenden potentiellen Hits des Jahres 2008. Nun… ähm… scheint so, als könnten wir alle für dieses Jahr das Spielen einstellen. Nein ernsthaft: gehen Sie ruhig weiter, es gibt hier nichts mehr zu sehen. 2008 wird ein Jahr der Erneuerung der Videospiel-Industrie. Diese wird sich bis zum nächsten Neujahrsfest in ihrem stillen Kämmerlein einschließen und über neue, innovative Konzepte und Vermarktungsstrategien meditieren. Ihre innere Mitte suchen und hoffentlich auch finden. Und bis dahin sämtliche Veröffentlichungsanliegen auf Eis legen. Einzig für die PS3 ist noch ein Titel – ja genau: ein einziger Titel – durch das Raster dieses Masterplans geschlüpft. Auf Sony‘s schwarzem Wohnzimmer-Boliden wird irgendwann dieses Jahr noch Schleich-Opa Snake in Metal Gear Solid 4 durch die Zukunft spuken. Sorry, der ist am Management vorbeigehuscht, als die gerade ihr Büro nach Feng Shui eingerichtet haben. Aber das war’s dann auch schon. Mehr kommt da nicht. Ihr glaubt mir nicht? Schaut doch einfach mal selbst nach (klick!).

Und dann war da noch: Der Versuch von heute, der United Leserschaft of Wanne-Eickel (TM) den Deutschen eSport-Bund (esb) ein wenig näher zu bringen. Das ist, gelinde gesa…. entschuldigung, ich muss lachen….. Wenn nach der Lektüre dieses Artikels irgendjemand schlauer ist als vorher: Herzlichen Glückwunsch! Ansonsten kann das doch eigentlich nur ein ganz großer Witz sein. Wie will man denn dem tendenziell unbedarften Leser klarmachen, was der ESB ist, wofür er steht, wie er arbeitet und wie er organisiert ist, wenn man ihm so ein lieblos zusammengerührtes Kurz-Geschwurbel vorsetzt? Ja, ich sehe auch, dass das nur ein paar kurze Zeilen zum 3jährigen Bestehen sein sollen. Aber trotzdem sollte man sich mal fragen, wen man mit sowas, ja mit dem gesamten Web-Angebot zum eSport überhaupt erreichen will? Den normalen Gamer? Der wird sich in der Regel durch eSport-spezifische Themen genauso herzlich wenig angesprochen fühlen wie der Casual Gamer oder gewöhnliche WAZ-Leser ohne Spiele-Vorerfahrung. Der eSportler selbst hingegen wird sich lieber bei readmore und Co. verlustieren. Einfach, weil er dort tagesaktuelle Informationen rund um laufende Turniere, Matches etc. bekommt.

Darin liegt nämlich tatsächlich ein weiterer Knackpunkt des Angebots von Der Westen. Wer über Sport berichtet, tut dies für gewöhnlich eben tagesaktuell. Wenn Klinsmann sich dazu entschließt, künftig den Bayern München trainieren zu wollen, kann ich das keine Stunde später auf allen etablierten Sport-Seiten (und vielen weiteren Seiten darüber hinaus) lesen. Wenn die deutsche Handball-Mannschaft Weltmeister wird, lese ich das auch nicht erst übernächste Woche, sondern direkt nachdem es passiert ist. Wenn SK Gaming oder sonstwer das CS-Saison-Finale der ESL gewinnt, lese ich das… ja wo denn? Richtig, bei readmore, bei Giga, auf den ESL-eigenen Seiten oder in entsprechenden Blogs. Aber nicht bei Der Westen. Und warum nicht? Richtig, weil es der Seite einfach keine Meldung wert zu sein scheint.

Was mir allerdings mittlerweile am allergemeinsten sauer aufstößt ist ganz einfach die simple Tatsache, dass man von Computer- und Videospielen nur den (nennen wir es mal:) Special Interest-Bereich eSport im Sport-Ressort zugesteht, statt sie an der Stelle zu präsentieren, wo man sie vermuten, nein erwarten(!) würde: im Kultur-Ressort. Da findet man schließlich auch alle anderen Unterhaltungsmedien, wie Film, Fernsehen und Musik. Warum also nicht auch Spiele? Sind diese dann also doch nicht so gleich, so wichtig, so interessant, wie man es dem Leser beim Start-Up des neuen Portals gerne weißmachen wollte? Schade. Ich für meinen Teil lese lieber weiter Blogs und ‘richtige’ Games-Magazine, als mich auf so eine Nullnummer einzulassen.

Edit: Der Artikel ist natürlich grob böse. Was aber gewollt ist. Derzeit sehe ich vor allem unabhängige Blogs als spannendstes ‘Medium’ an, um sich über Games zu informieren. Dirk, Autor des oben kritisierten ESB-Artikels hat mir aber versichert, dass noch eine ganze Menge an Ideen für die weitere Gestaltung der Seite in der Pipeline stecken. Lassen wir uns also überraschen.

8 Comment

  1. Das sehe ich ähnlich wie du. Games gehören eigentlich in den Kultur-Teil. Bei der öffentlichen Meinung in Deutschland über Videospiele kann es sich nur noch um Jahrzehnte handeln. Spätestens, wenn die Gaming Generation in den entsprechenden Posten untergekommen ist. Und überhaupt: ich glaube es gibt kein größeres Mißverhältnis zwischen wirtschaftlicher Kraft und Medienpräsenz als bei Videospielen in Deutschland. So ist allein der Konsolenmarkt in Deutschland, so meine ich gelesen zu haben, um über 20% gestiegen. Welches Unterhaltungsmedium kann denn ähnliche Zahlen aufweisen? View all comments by Lance

  2. waren sogar 30%, wenn ich den von Dir verlinkten Artikel richtig im Kopf habe 😉
    Generell muss ich ja sagen, finde ich es super, dass sich Zeitungsportal – denn nichts anderes ist der Westen eigentlich – auf die Fahnen geschrieben hat, überhaupt so ein Thema anzugehen. Eine lobenswerte Sache, wenn der eine oder andere Blick hinter die Kulissen gewagt wird.
    Spielen allgemein wird eine angemessene Behandlung in der Öffentlichkeit aber vermutlich wirklich erst zugestanden, wenn sie flächendeckend in den Feuilletons stattfinden und fest in den Kultur-Ressorts verwurzelt sind. View all comments by Christian

  3. “Spielen allgemein wird eine angemessene Behandlung in der Öffentlichkeit aber vermutlich wirklich erst zugestanden, wenn sie flächendeckend in den Feuilletons stattfinden und fest in den Kultur-Ressorts verwurzelt sind.” -> und damit wurde kein wahreres Wort gesprochen!

    Denn letztendlich ist die Art und Weise, wie das Medium angegangen wird, auch eine Frage der zur Verfügung stehenden Kompetenzen. Ich glaube kaum, dass die WAZ Ausschreibungen für einen “Game-Experten” macht, um eine Sparte professionell betreuen zu können. Lange Zeit haben Schreiber in Zeitungen für Kinofilme noch gedacht, dass diese chronologisch abgedreht werden; warum sollte ähnliches Unwissen nicht bei heutigen Gaming-Redakteuren bei Tageszeitungen oder ähnlichem nicht zu vermuten sein? Ich stelle mir bei dem Portal Menschen vor, die vielleicht in der Thematik interessiert, vielleicht auch ambitioniert, aber keinesfalls damit aufgewachsen oder ausrechend bewandert sind. Die von der Chefredaktion gesetzte Priorität und der damit zusammenhängende Status von Spielen führen irgendwo maßgeblich dazu bei – und das Ende vom Lied sind Artikel, wie wir sie auf dem verlinkten Portal sehen können. View all comments by Micha

  4. sollte das jetzt heißen “damit wurde EIN wahres Wort gesprochen”, oder hab entweder ich Dein Posting falsch verstanden, oder Du meine Aussage?

    Ich denke schon, dass die Leute, die das Ressort betreuen, durchaus Spiele-interessiert bis -begeistert sind. Das merkt man an den Retro-Artikeln. Es hapert bloß generell an der Umsetzung. Die Chefredakteurin des Portals ist ebenfalls noch ziemlich jung (ich weiß, bedeutet nicht gleich dass sie Spiele mag) und wurde direkt vom Fleck weg aus der Blogosphäre rekrutiert. Insofern sehe ich schon den Ansatz zum Willen, aus dem Angebot was zu machen. Leider ist es darüber bislang noch nicht hinaus gekommen.

    Ich stimme aber definitiv in der Annahme überein, dass eine Redaktion erst kompetent über Spiele berichten kann, wenn die Redakteure und Schreiberlinge selbst über ausreichende Spieleerfahrung verfügen und das Medium entsprechend authentisch nach außen hin präsentieren können. Das schimmert in Ansätzen mittlerweile auch immer wieder mal durch, selbst in etablierten Blättern wie der Süddeutschen Zeitung, in winzigen Momenten des Lichts sogar in der FAZ. Wirklich zum Durchbruch wird es aber erst kommen, wenn auch der gemeine Leser diese Art von positiver – oder zumindest wertneutraler, unvoreingenommener – Berichterstattung zu schätzen beginnt, bzw. sich überhaupt erst einmal mit dem Thema in angemessener Form auseinander setzt.
    Leider habe ich nach wie vor eher die Befürchtung, dass es erst zu einem grundlegenden Generationenwechsel sowohl in den Redaktionen, als auch in den Leserschaften kommen muss, um einen gesellschaftlichen Wandel in der Wahrnehmung herbeizuführen. So traurig es klingen mag. View all comments by Christian

  5. “Damit wurde kein wahreres Wort gesprochen” im Sinne von: Ich gebe Dir vollkommen recht! 🙂 View all comments by Micha

  6. Ich habe den Launch von “DerWesten” mit viel Interesse verfolgt. Unabhängig von eSports und Games bin ich aber zu dem persönlichen Schluß gekommen, dass das Online-Angebot der WAZ totale Grütze ist. Ein Pseudo-Blog mit Artikeln, die alle mindestens eine Klasse schlechter als die bei SpOn sind. Sowohl inhaltlich, als auch formal wirkt vieles geradezu amateurhaft. Die Artikel strotzen nur so vor Rechtschreib- und Grammatikfehlern und sind einseitig bis boulevardesk geschrieben. Eine risen Enttäuschung, das Ganze! View all comments by SpielerZwei

  7. christian. ich kann dir da nicht recht geben. an den verlinkten artikeln ist doch nichts auszusetzen. im gegenteil, ich finde die interviews eigentlich ganz flott geschrieben. auch das von den schellhases. das einseitige killerspiel-bla-bla in medien nervte doch bisher nur. View all comments by Alex

  8. @Micha: Ah. Okay 😀

    @SpielerZwei: Man muss auch wirklich mal generell festhalten, dass die WAZ und ihre bisherigen Online-Ableger noch nie das Niveau eines SpOn oder vergleichbarem hatten. Auch nie die Ambitionen hatte, daran was zu ändern. Ganz im Gegenteil: Was Layout und Inhalte angeht, haben sich scheinbar sämtliche WAZ-Produkte – zumindest im Printbereich – in den letzten Jahren an dem Niveau der Bild orientiert. Die NRZ etwa ist meiner persönlichen Meinung mittlerweile absolut unlesbar.

    @Alex: Greift Dein Rechner auf ein Parallel-Universums-Internet zurück? 😉 View all comments by Christian

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