Nassbirnen unter sich – Pt. 2

Hui, ich glaube soeben wird hier die erste Artikelserie aus der Taufe gehoben: Der Vollpansen of the Weak-Award. And the Oscar goes to: Einer völlig bekloppten Mutter in England, die nun Computerspiele dafür verantwortlich macht, dass ihr Sohn einen Mord begangen hat. Wobei an den Vorwürfen, dass Spiele für sowas Böses verantwortlich wären ja genau so wenig Neues ist, wie an der Tatsache, dass hin und wieder jemand einfach mal wieder durchdreht und meint irgend jemand anderes so mir nichts Dir nichts niedermetzeln zu müssen. Wie geschehen im vergangenen Jahr, als der 18jährige Brite Stuart Harling sich dazu entschlossen hat, eine 33jährige Krankenschwester mit sage und schreibe 72 (!!!) Messerstichen aus dem Leben zu befördern. Nun mache ich der Mutter nichtmal einen Vorwurf, dass sie Computerspiele dafür anklagt, dass ihr Zögling diese Tat begangen hat. Aber allein die Brutalität zeigt doch schon, dass dem Typen ganz generell so manch eine Sicherung gefehlt haben muss und er nichtmal ansatzweise ‘nomal’ im Kopf gewesen sein kann.

Dass er dazu dann tatsächlich angeblich am liebsten Manhunt oder ähnliches gespielt hat, mag in diesem Fall sogar tatsächlich ein einflussreicher Faktor gewesen sein. Aaaber, liebe Frau Harling, wenn ich solche Anklagen in der Öffentlichkeit formuliere, dann würde ich mir vielleicht vorher doch lieber ein wenig genauer überlegen, was ich da so von mir gebe. Auch wenn es genenüber so einem Klatschblatt wie das Magazin News of the World ist, ofenbar einem Ableger der berüchtigten The Sun.

“I knew he was playing the video games but we didn’t really know what went on in them, how brutal and graphic they were. […] Now I feel like people are looking at me, as if I should have read the signs. But I had no idea.”

(Achtung, es folgt ganz subtile Ironie. haha) Als verantwortungsvolle Mutter hätten Sie natürlich wissen müssen, dass bestimmte Spiele nicht ohne Grund nur für Erwachsene gedacht sind. Nun haben Sie in England nicht die strengen Alterskontrollen, die wir hier in Deutschland jedem einzelnen Game auferlegen und konnten durch einen einfachen Blick auf die reißerischen Cover der Games Ihres Sohnes natürlich nicht feststellen, dass da jede Menge Gewalt auf so einer DVD sein könnte. Wie denn auch? Aber Sie als verantwortungsvolle Mutter hätten sich ja vielleicht auch einfach mal mehr mit Ihrem Sohn und den von ihm gespielten Games auseinandersetzen können, um eine verantwortungsvolle Medienerziehung zu etablieren. Ach, das haben Sie ganz vergessen? Gar nicht erst dran gedacht? Dann Fresse halten, verdammt! Solche heuchlerisch-mediengeilen Frontsäue wie Sie kann ich nun wirklich nicht ausstehen. Buddeln Sie doch lieber erstmal in Ihrem eigenen Vorgarten.

Was aber auch mal wieder auffällt: Der mordende Sohnemann war in den Augen seiner Familie und Bekannten natürlich wieder einmal der absolut friedliche, ja gar scheue nette Typ von nebenan:

“Stuart never gave us any reason to think he was violent at all. He was a very normal boy—quiet and reserved. I used to call him ‘my little professor’ “

Ja klar, wenn man sich nicht groß ernsthaft mit seinen Kindern auseinandersetzen mag, dann ist man doch auch echt froh, wenn die schön die Fresse halten und sich möglichst ruhig in ihrem Zimmer verkrümeln um sich ihrem Hobby zu widmen. So lange sie dabei niemanden umbringen: ist doch klasse, oder? Wahrscheinlich hat sich bloß mal wieder überhaupt niemand dafür interessiert, wie es in dem Jungen aussah, welche Mobbereien er vielleicht in der Schule erlebt haben könnte undsoweiterundsofort. Warum auch, was? Solange man immer noch die Computerspiele als Schuldigen heranziehen kann, um Versäumnisse in der eigenen Erziehung zu entschuldigen, ist doch alles in Butter, oder?

Deshalb geht der Preis für den größten Vollspacken diese an die werte Frau Harling! Herzlichen Glückwunsch! Der Wahnsinn liegt ja wohl echt in der Familie. Auch dafür meine Gratulation!

Und der Trostpreis geht heute an den unbekannten News-Autor der GameStar, der das Harling-Zitat

“I know these games are played by kids across the world, but some are truly horrific. And if they can cause a trigger to be pulled in someone’s head they should be banned. Now I feel like people are looking at me, as if I should have read the signs. But I had no idea.”

in seiner Übersetzung folgendermaßen uminterpretiert:

“»Ich wusste, dass er die Videospiele spielt, aber wir ahnten nicht, was in ihnen vorgeht, wie brutal und explizit sie sind.« Lange Zeit habe Sie zudem nicht begriffen, dass die Spiele mit Alterseinstufungen versehen sind, so Harling. »Wir haben ihm einfach die Spiele gekauft, die alle anderen Kinder auch hatten.«”

Auch Dir natürlich herzlichen Glückwunsch zu Deinem Preis! 😉

5 Comment

  1. Sehr schön außeinandergenommen, die Aussage. Schade nur, dass viele Leute nicht so weit interpretieren können und damit nur gesehen wird: Mord hat “Killerspiele” gespielt = Spiele sind schuld
    Die GameStar-Übersetzung erinnert mich an eine gewisse Spielefirma, die auch gerne Übersetzungsfehler macht. Vielleicht arbeitet der News-Schreiberling zufälligerweise nicht nur bei GameStar, sondern auch bei Konami. 😀 View all comments by Alanar

  2. Wenn ich mich nicht irre, dann geht der letzte Preis an Volker Stuckmann, dem jetzt nicht mehr ganz so unbekannten News-Autor der GameStar. Gut gemacht! Wir sind stolz auf dich, Junge! Aber da er noch Praktikant ,sollte man ihn diesen Fehler verzeihen, oder? View all comments by PlayStar

  3. Ah, so heißt der also. Hab das Kürzel (vs) auf der GameStar-Teamseite nicht zuordnen können. Na gut, wir wollen mal nicht so sein. Wer bei GS Praktikant ist hat bestimmt nichts zu lachen und muss Newsmeldungen im Sekundentakt tippen. Order des Chefs: Hier wird nicht gedacht; nur Geschrieben! 😀 View all comments by Christian

  4. Leider kann ich den Trostpreis nicht annehmen. Das mit der fehlerhaften Übersetzung stimmt nämlich nicht: Der Satz »Lange Zeit habe Sie zudem nicht begriffen, dass die Spiele mit Alterseinstufungen versehen sind, so Harling.« ist nicht die falsche Übersetzung von »[…] as if I should have read the signs.« sondern stammt aus dem Zitat »For a long time I didn’t even realise games had age limits on them. We’d just buy him the game that all the other kids had.« Neben Newsmeldungen im Sekundentakt und Kaffeekochen bleibt nämlich Gott sei Dank immer noch ausreichend Zeit zum Denken;) View all comments by Volker

  5. OK, Du bist hiermit offiziell begnadigt 😉 und ich entschuldige mich in aller Form, falls ich Dir damit auf die Füße getreten bin. Sorry! View all comments by Christian

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