(K)ein Herz für Hardcore!?!

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Wenn wir nun ganz leise sind, liebe Leser, können wir uns vielleicht nah genug an ihn anschleichen. Psssst! Gaaaaaanz vorsichtig. Sachte! Ganz sachte. Da! Da ist er! Der Gamerossus Hardcorus! Dieses possierliche Tierchen, liebe Leser, ist eine der bedrohtesten Arten im ganzen Games-Bereich. Sehen Sie nur, dieser gehetzte Blick, die zuckenden, verkrampften Finger,die bleiche Haut… und wie sie vor allem um den Bauch herum schwülstige Falten wirft. Seine Physiognomie macht es ihm nicht leicht, sich im harten Alltag zu bewähren, sein natürlicher Lebensraum, die Spielhalle, wird gnadenlos dem Erdboden gleich gemacht, sein Habitat dient ihm längst nicht mehr als sichere Zuflucht und so werden seine kümmerlichen Restbestände hoffnungslos dezimiert. Jawohl, liebe Leser, selbst in seiner heimeligen Wohnhöhle ist dieses arme Geschöpf nicht mehr sicher. Diente sie ihm bis vor einigen wenigen Jahren als vor dem Sonnenlicht abgeschirmte Rückzugsstätte, von der aus er bequem per Kommunikationshilfen oder im Schutz der Nacht auf Nahrungssuche gehen konnte, entwickelt sie sich heute mehr und mehr zu bedrohlichem Lebensraum. Ja, oftmals sind es vor allem seine Halterinnen (in freier Wildbahn wird er nur noch seeeehr selten gesichtet), die ihn mehr und mehr in Gefahr bringen. Nicht nur, dass sie ihn durch regelmäßiges Lüften und Aufreißen der Rollläden unerbittlich aus seinem natürlichen Tagesablauf reißen. Nein, damit nicht genug!

Seit einiger Zeit wird ihm das Leben in gewohnten Bahnen zunehmends ebenso durch das Aufstellen neuartiger, perfider Fallen unmöglich gemacht. Diese sollen ihn zu mehr Bewegung animieren, lassen ihn jedoch oftmals nur hilflos mit einer weißen Fernbedienung in der Luft herumfuchteln, bis er qualvoll verendet. Andere Arten der ihm aufgedrängten leichten Beschäftigung, wie etwa Tiere sortieren, Seehunde werfen oder Hunde züchten, führen in unschöner Regelmäßigkeit dazu, dass er freiwillig den Müll nach draußen bringt, um sich in einem verlotterten Hinterhofcontainer freiwillig zur letzten Ruhe zu betten. Darum bitte ich Sie, liebe Leser, nehmen Sie bitte in höchst respektvollem Maße Rücksicht auf diesen kleinen Fratz, wenn wir uns ihm nun nähern.

Wir haben Glück, liebe Leser! Nicht nur haben wir offenbar ein völlig wild lebendes Exemplar angetroffen haben, sondern auch noch eines, dass gerade ausgiebigst seiner liebsten Tagesbeschäftigung nachgeht. Beobachten wir ihn also ein klein wenig und versuchen zu lernen. Sehen Sie nur, wie lange er diesen starren, fast ausdruckslosen Blick auf die flimmernde Mattscheibe geheftet lassen kann. Dieser komische Kauz verfügt über die enorme Fähigkeit, seine Tränenflüssigkeit höchst kontrolliert in nur wenigen kurzen Augenblicken des Blinzeln gezielt zum Benetzen seiner Pupillen einzusetzen. Wunderbar exemplarisch für die gesamte Spezies ist seine gebeugte Haltung mit den weit nach vorne gezogenen Schultern und seinem stets ein wenig in Lauerposition vorstehendem Kopf. Sehen Sie nur, mit welcher enormen Disziplin er es schafft, eisern nur die wenigen Muskeln zu bewegen, die er gerade benötigt, wie starr und unbewegt er seine Beine nun schon seit fast 35 Minuten hält. Eine faszinierende Meisterleistung der Natur, den Kalorienhaushalt auf das absolute Minimum an nötiger Transferleistung zu regulieren! Da! Sehen Sie nur! Dieses wundervoll rhythmische Zucken der Finger seiner linken Hand! Und der geradezu unglaublich synchrone Tanz der rechten in absolut harmonischer Resonanz! Dieses possierliche Kerlchen, liebe Leser, ist ein wahrhaft wilder und würdevoller Vertreter seiner Gattung, des Gamerossus Hardcorus. Doch lassen Sie uns nun einige Schritte zurücktreten und ihn wieder gänzlich unbehelligt in seiner natürlichen Umgebung zurück.

Warum ich Sie, verehrte Leser, auf diesen kleinen Ausflug ins Biotop des Gamerossus Hardcorus mitgenommen habe, ist ganz einfach: Wir sollten jede Möglichkeit nutzen, ihn zu studieren, die sich uns noch bietet. Denn bald, sehr bald schon, wird es dieser Spezies ein für alle Male an den Kragen gehen. Für eine Rettung scheint es bereits jetzt beinahe zu spät. Immer stärker drängt ein artverwandter und doch völlig grundverschiedener Vertreter der Gattung Gamer Gamerusus an seine Stelle, übernimmt seine Lebensräume und verbannt ihn in unansehnliche Wohnbezirke, wo er elendig zu Grunde geht. Die Rede ist – natürlich! – vom Gamerossus Casualitae. Dieser zeichnet sich weniger durch seine unbändige Brutalität in der Vorgehensweise bei der Verdrängung aus, sondern sticht vor allem durch seine millionenfache Zusammenrottung in lautstark grölenden und wild fuchtelnden Mobs heraus. Wenn Sie diesem Wesen über den Weg laufen, bringen Sie sich lieber in Sicherheit, bevor es Ihnen ergeht wie einst den Bewohnern einer beschaulichen Ringwelt irgendwo im Outer Rim.

Doch damit nicht genug der bedrohlichen Lebensumstände. Selbst unserem kleinen Freund ehedem freundlich gesonnene Organisationen stellen sich vermehrt gegen ihn und entziehen ihm nach und nach ihre Unterstützung, verspotten ihn und entziehen ihm seine wichtigste Lebensgrundlage: brachiale Kuriositäten-Software, die mit jedem Bit und Byte die Wirren eines Krieges, der nicht der seine ist, doch den er als den seinen annimmt, zu epischen Balladen ruhmreicher Heldentaten hochstilisiert. Doch Profitgier und blinde Agitation (der Ruf des Gamerossus Hardcorus leidet leider zu allem Überfluss noch zuseätzlich unter dem rücksichtslosen Verhalten der Parasiten-Rasse Gamerus Raubkopirus) zerstören auch den letzten Hort des Rückzugs in dieser unbarmherzigen und kalten Welt. Bis sich vielleicht eines Tages kleine gemeinnützige Vereine und karikative Institutionen für ihn einsetzen und auf seine Misere aufmerksam machen. Drum bitte ich auch Sie, liebe Leser: Kümmern Sie sich um das Schicksal dieses possierlichen kleines Freundes, nehmen Sie ihn bei sich auf, geben Sie ihm ein behütetes Heim über dem Kopf und helfen Sie mit, sein Fortbestehen auf diesem Planeten zu sichern. Vielen Dank!

12 Comment

  1. Muss dir voll und ganz zustimmen. Nicht dass ich mich selber als Gamerossus Hardcorus bezeichnen würde, eher als Gelangweiraptor. Es gibt immer mehr Minispielsammlungen, Guitar Heros und Lernspiele. Nichts gegen diese Art von Spielen, aber irgendwie bleiben Titel für ernsthafte Spieler n bissel auf der Strecke. Gerade für die Wii. Gut, man könnte jetzt sagen: was hast du denn bitte sonst von der Kinderkonsole erwartet? Ich weiss nicht, aber schon irgendwie … mehr.

    Insgesamt habe ich das Gefühl, dass Spiele einfacher werden, um auch dem Gelegenheitsspieler eine Chance zu geben, dieses Spiel zu spielen. Alleine der Fakt, dass ich die letzten 2 Jahre keinen einzigen Controller mehr kaputtgeschmissen habe, spricht doch Bände. View all comments by Holger

  2. @ Holger: Probier mal “No More Heroes”. (Wii) Zocks gerade, ist ganz ok….

    @Thema: Mich hat die letzten Tage, Wochen, eine ähnliche Gaming-Unlust befallen, wie dich zu Beginn des Jahres, Christian. (wenn ich mich recht entsinne)

    Warum?

    —> (Holger) “aber irgendwie bleiben Titel für ernsthafte Spieler n bissel auf der Strecke”. Ebent!
    WAS soll ich denn Spielen? Mass Effect Add-O ist durch. 2x. 😉

    Wii kommt nicht in Frage, steht doof rum, weil nix mehr ordentliches kommt. Und extra Crysis fürn neuen PC kaufen….!? (oder andersrum) ….hab ich keine Lust zu. Früher hatte ich die Illusion eines Interkativen Mediums…Video-SPIEL,…hach ja, hab mich ja schon des öfteren drüber ausgelassen. Nicht schon wieder.

    Ein Guitar Heroes Nr. 14 kann mir dennoch gestohlen beleiben….Casual, gut und schön. Ich will zocken! View all comments by Dok

  3. manchmal Frage ich mich, nach welchen Kriterien Akismet Comments als Spam einstuft. Sorry Christian, für das ungewollte Aussortieren. Hab Deinen Kommentar zumindest noch retten können.

    Eigentlich wollte ich ursprünglich eine nüchterne Analyse der Meldung, dass Ubi keine komplexen Shooter mehr produzieren will, schreiben. Irgendwie hatte ich dann aber meine lyrischen 5 Minuten.
    Warum will man solche Spiele nicht mehr machen? Weil damit kein Geld zu verdienen sei. Weil der gemeine Hardcore-Zocker vom Casual Gamer verdrängt wird. Nichtmal nur durch die Wii. Dazu paßt dann auch die Meldung sehr schön, dass nicht Raubkopierer für schwache Umsatzzahlen wären (hmm, naja, vielleicht doch), sondern die vergleichsweise geringe Menge an Hardcore Gamern.
    Nennt mich übereilig, aber ich prophezeie, dass sich das Killerspielproblem demnächst weitestgehend von selbst abschafft 😉 View all comments by Christian

  4. Ich glaube, ich habe schon so einen Gamerossus Hardcorus im Haus. Zumindest eine Sub-Spezies, die stundenlang mit wachsender Begeisterung “Cabal Online” spielen kann und kein Problem damit hat, an einem Tag gut 5 bis 6 Stunden am Stück “Persona 3” zu zocken.

    Irgendwie will mir aber nichts wirklich gescheites zum Thema einfallen. Es spuken zwar gerade zig Gedanken durch meinen Schädel, ordnen lassen wollen die sich jedoch nicht. Dann zocke ich eben einfach weiter “Harvest Moon” an meiner Wii-Konsole. 😉 View all comments by Alanar

  5. @Dok: Spiel ich gerade. Hat irgendwie Charme 😉 View all comments by Holger

  6. @Holger. Schön das es gefällt. Habs übrigens von dem Kommentator “einen über dir” aufgeschnappt. Wäre sonst auch komplett an mir vorbei gegangen….thx to Alanar! Sind so Perlen wie “Killer7”, die für die BigN-Hardware ab und an, ohne TamTam, einfach so nebenher auf den Markt “gefallen” werden….

    Jetzt erwähnt er noch “Harvest Moon”. Auffer PSP isses ja ziemlich arm,….guck ich mir aber auch mal näher an, nacher. View all comments by Chris

  7. Argh! Jetzt hab ich doch wieder “Chris” statt “Dok” genommen. Christian,….ich bleib jetzt einfach beim “Chris”, ja!? Sorry,..und sorry für die Edit-Arbeit! Sorry! Noch mal! View all comments by Chris

  8. Das waren mindestens 9 “Sorry” zu wenig 😀

    Ist OK, treib mich halt weiter systematisch in den Wahnsinn. Ich komm damit klar. Lalalalalalalalalaaaaaaaaaaaaaaaa View all comments by Christian

  9. Ich denke einfach, dass die Spiele für Hardcoregamer heute einfach zu viel kosten, da hier alles Highend sein muss. Viele Entwickler (wie schon Ubisoft) werden sicher lieber ein Casual Game für einen Bruchteil des Geldes entwickeln, die man z.B. bei Halo 3 aufbringen musste oder das finanzielle Risiko wird dadurch reduziert, dass man das xte Sequel einer bekannten Franchise auf den Markt haut. Ich habe neulich Halo 3 abgeschlossen und irgendwie fand ich das Spiel nicht so den Brüller. Auch der MP-Part hat mich nicht überzeugt, deshalb kann ich auch die hohen Wertungen nicht nachvollziehen. Ähnlich ging es mir bei Bioshock. Ich habe das Spiel durchgespielt und durchaus Spaß gehabt, aber am Ende des Tages war es ein stinknomaler Shooter und der ganze Hype wirkte ein bißchen lächerlich. Es fehlen einfach frische Ideen, aber die werden bestimmt nicht bei Spielen getestet, die in der Entwicklung 20 Millionen Dollar und mehr kosten. Deshalb rücken ja auch die sogenannten Independentgames in den Fokus, weil hier auch mal völlig andere Ideen ausprobiert werden.
    Für die Entwickler ist es einfach lukrativer, eine Marke wie Singstar oder Buzz zu etablieren und dann zahllose Versionen auf den Markt zu werfen bzw. Zusatzinhalte im Internet anzubieten. Das sind einfach die Cashcows. Neue Fragen für Buzz kann auch mal der Praktikant zusammen suchen. View all comments by Stephen

  10. Ich denke auch, dass die Entwicklungskosten der entscheidende Faktor für solche Entscheidungen sind. Auf der einen Seite stehen Unsummen für eine relativ konstante aber vergeichsweise kleine Gruppe von Zockern, auf der anderen Seite das enorme Potential und Wachstum der nachwachsenden Casual Gamer, die sich mit einfachen, bunten Spielkonzepten (für den Anfang) zufrieden geben und bei denen das Kosten/Gewinn-Verhältnis unterm Strich einfach sooooviel besser aussieht.
    Ein wenig undankbar finde ich solche Entscheidungen aber trotzdem, immerhin waren es die Hardcore-Gamer, die durch die dank ihnen generierten Umsätze die Spielebranche vor die Filmindustrie katapultiert haben. Aber naja, vielleicht bin ich auch zu kleinlich… View all comments by Christian

  11. Sicherlich hast Du recht damit, dass erst die Hardcorezocker dazu geführt haben, dass sich Spiele bis zum heutigen Punkt entwickelt haben, da sie der Spieleindustrie ständig neues Geld zugeführt haben. Aber vielleicht ist auch langsam der Punkt gekommen, an dem es kaum noch Sinn macht, alle paar Jahre eine komplett neue Hardwaregeneration einzuführen, die neue technische Meisterleistungen vollbringt, wenn dafür die Entwicklungskosten explodieren und nur noch wenige Entwickler gewillt sind, die Hardware auszureizen. Zumal ja noch hinzukommt, dass die Hardwarehersteller im Konsolenbereich in den ersten Jahren meist die Hardware noch subventionieren, weil sie sonst zu teuer wäre. Nintendo ist da einen konsequent anderen Weg gegangen, indem man eine andere Zielgruppe bedient und zudem noch eine Hardware auf den Markt bringt, die wohl von Anfang an gewinnbringend war. Und viele Casual Gamer sehen den grafischen Unterschied zwischen z.B. einer Xbox und einer Xbox 360 kaum. Aber noch sehe ich da nicht so schwarz, denn immer noch erscheinen viele Spiele, die vor allem die Hardcoregamer ansprechen. Bei den Konsolen sind das GTA IV, Gran Turismo 5 oder Metal Gear Solid 4 in diesem Jahr, die alle schon jetzt garantierte Blockbuster sein werden. View all comments by Stephen

  12. Hmm, ich denke auch, dass es auch weiterhin genug Spiele geben wird, die auch den hardcorigsten Hardcore-Gamer ansprechen. Gleichzeitig wird man sie aber irgendwo so abspecken oder zurechtstutzen, dass auch Einsteiger zunehmend damit klar kommen. Die Aussage von Ubisoft etwa ist ja, dass man schon bei Rainbow Six Vegas 2 bewußt auf viele Dinge verzichtet hat, die die Serie ehemals eigentlich ausgemacht haben. War auch im ersten Teil schon so, im 2. scheint man dem ganzen nochmal einen drauf gesetzt zu haben. Ist natürlich dann schon ziemlich schade, wenn taktische Spieltiefe zugunsten von Causal Gamern drastisch abgebaut wird.
    Der Vorteil von sowas ist aber vielleicht auch, dass auch wir alteingesessenen Zocker endlich mal mit neuen, simplen Bedienkonzepten überrascht werden… wer weiß?
    Der Vorteil der ganzen Strategie liegt für die Industrie eigentlich auch auf der Hand. Bislang sind es vor allem die großen Blockbuster, die einen Großteil des gesamten Spieleportfolios mitfinanzieren. Da diese aber selbst enorm teuer in der Produktion sind, bleibt unterm Strich sehr viel weniger hängen als möglich wäre. Wenn man den Spieß umdrehen und durch kostengünstige Casual Games den Großteil seines Umsatzes generieren kann, könnte das unterm Strich auch den forgeschrittenen Spielern zu Gute kommen. Zum einen kann man dann wieder getrost in teure HD-Titel investieren, zum anderen wird so hoffentlich endlich mal ein größerer Betrag in neue, innovative Spielkonzepte und/oder so genannte Independent-Entwickler gebuttert. View all comments by Christian

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