Wir langweilen uns zu Tode

Laaaangweilig

Wenn Branchenriese und Videospiele-Allmacht Electronic Arts sich einen neuen Boss zulegt, dann ist das an und für sich nichts nennenswertes. Wenn dieser aber der Meinung ist, dass sein Konzern die Leute mit immer und immer neuen Auflagen ein und desselben Spielprinzips zu Tode langweilt, dann ist das nichts anderes als eine Sensation! Natürlich wird John Riccitiello den Teufel tun, diese Aussage einzig und allein auf seinen Konzern zu beziehen. Vielmehr sieht er hier die gesamte Spielebranche in der Pflicht, langsam ein wenig häufiger mit Innovationen hinter dem Ofen hervorgekrochen zu kommen. Aber allein dass er eine solche Aussage trifft, setzt Zeichen. Nun zu erwarten, dass Electronic Arts oder irgendwer anderes in Zukunft weniger Fortsetzungen von bekannten und sich gut verkaufenden Spieleserien auf den Markt wirft, wäre aber wohl doch zu hoch gegriffen. Die bestehenden Gamer-Strukturen wollen irgendwie weiter bedient werden, und solange es noch genug Leute gibt, die eine solche Fortsetzung trotzdem kaufen, wird sich daran auch nichts ändern. Darüber dürfte sich auch Riccitiello völlig im Klaren sein. Wenn aber zumindest ein Teil der mit solchen Endloswiederholungen erwirtschafteten Umsätze künftig in die Produktion neuer, innovativer und auch mal eher auf den Gelegenheitsspieler abzielenden Titel gesteckt würde, wäre das doch bereits Anlass zu neuer Hoffnung, dass auch wir alten Spielehasen uns künftig nicht mehr mit tausend mal Gesehenem und Gespieltem quälen müssen.

Bis es tatsächlich soweit ist, dürfte aber noch so mancher Liter Wasser den Rhein hinunterfließen. Dennoch, soviel ist sicher: Innovationen im Gameplay selbst, sowie das Erschließen neuer, bislang vielleicht weniger erfahrener Spielergruppen, sind dringend nötig. Die Gaming-Branche hat nicht zuletzt auch deshalb einen schlechten Stand in der öffentlichen Diskussion, weil sie bislang hauptsächlich Spiele für Menschen herausbringt, die ihren Lebtag mit Videospielen verbracht haben, bzw. in einer Umgebung groß geworden sind, in der Videospiele Teil des Lebensalltags sind. Die breite Masse hingegen, die sich bislang kaum mit Computer- und Videospielen beschäftigt hat, wird man mit derzeit gängigen Spielprinzipien hingegen kaum als neue Käuferschicht gewinnen können. Der Gaming-Nerd ist und bleibt Hauptkunde, und allein das dürfte bereits viele verschrecken:

“We’ve become a niche. Eighty, 90 percent of the resources that are put into play by us and most of our competition are in building sequels of games that super-serve teenage boys with fast thumbs.” (John Riccitiello gegenüber der New York Times)

Die Fokussierung auf eine bestimmte Zielgruppe jedoch wird früher oder später zu einem Bumerang werden, da auch diese sich vermutlich nicht ewig mit dem immer Gleichen füttern lassen wird. Bereits jetzt stagnieren die Verkaufszahlen, da neue Käuferschichten fehlen. Bei Electronic Arts etwa schwindet der Gewinn, was die Aktionäre mit reichlich Unmut aufgenommen haben dürften. Machen wir uns nichts vor: Geld ist letztlich der einzige, der maßgebende, der alles entscheidende Grund, warum sich EA künftig soviel stärker mit neuen Konzepten und frischen Ideen auf neue Zielgruppen stürzen will. Wer diese aber anlocken will, wird allein deshalb früher oder später nicht umhin kommen, sich zu entscheiden: Produziere ich weiter Einheitsbrei für eine feste Käuferschaft und riskiere, dass diese sich irgendwann gelangweilt abwendet, oder etabliere ich Computerspiele als eine Kunstform, mit der es sich auseinanderzusetzen lohnt und die früher oder später genauso in der Gesellschaft einschlagen wird, wie etwa das Medium Fernsehen in den 50er Jahren:

“We’re starting to be an art form and can have a massive cultural impact globally similar to television in the ’50s. But we could also become ham radio. We could go down the path where we’re just reinforcing what we’ve done in the past, and we need to reinvent ourselves.”

In spätestens vier Jahren will Riccitiello eine Trendwende in der Veröffentlichungspolitik von Electronic Arts erkennen lassen, Computerspiele stärker von allen gesellschaftlichen (Alters-)Gruppen gespielt sehen:

“If the E.A. of four years from now isn’t a bunch of properties you haven’t heard of on a bunch of business models that aren’t familiar to you. And if most of them can’t be picked up the first time by your mother and she can’t have fun with it, we won’t be the company I want us to be.”

Das Ziel ist also klar: neue Konzepte entwickeln, die sich hoffentlich nicht nur auf die Art der Vermarktung beschränken, dadurch neue Käuferschichten zu erschließen um unterm Strich deutlich mehr Geld zu scheffeln. Dadurch ganz beiläufig Computerspiele endlich als akzeptierte Kunstform – oder zumindest als profanes Unterhaltungsmedium wie jedes andere auch – etablieren und sich als Heilsbringer der Branche feiern lassen. Das Schöne ist bloß, dass diesmal vielleicht nicht nur die Aktionäre davon profitieren, sondern eventuell auch endlich mal wir Spieler. Wir dürfen also gespannt in die Zukunft blicken.

6 Comment

  1. Wirklich, mit deiner FIFA Soccer-Grafik hast du die EA-Langeweile wurderbar ausgedrückt. Und das waren ja noch nicht mal alle Teile, das geht ja bis 1993/94 zurück. Schon 14 Jahre! OMG.
    Ich erinnere mich noch an F/A 18 Interceptor, einen Flugsimulator auf dem Amiga. Der war wirklich nicht schlecht und hat Spaß gemacht. Und er war von Electronic Arts. Damals haben die Jungs noch gute Spiele gemacht. Es wäre wirklich schön, wenn die das heute auch wieder hinkriegen würden.
    Was ich, trotzdem, auch sehr gern spielen würde, wäre ein PGA Tour Golf, aber nicht das aktuelle, sondern eins, das die Wiimote-Steuerung so gut kann wie das Golf von Wii Sports. Perfekte Wiimote-Steuerung zusammen mit möglichst realistischem Golf, das wärs. Realismus würde mich hier nicht abschrecken, ich bin ja kein Casual Gamer. 🙂 View all comments by blumentopferde

  2. Ach, es gab so viele schöne Spiele von denen, damals, als sie noch das alte Logo mit dem Ball, dem Würfel und der Pyramide hatten und selbst noch ein normales Entwicklerstudio waren. Nicht, dass es nicht heute auch noch viele tolle Spiele von denen gäbe…. nein nein (man muss ja vorsichtig sein was man sagt. Irgendwann hatte ich mich schonmal bei denen beworben ;-)) Und dass Spiele in Endlos-Serie gehen ist ja leider auch kein Problem eines einzelnen Publishers mehr.
    Was mir beim Erstellen der Grafik aber aufgefallen ist: Die haben sich unglaubliche Mühe gegeben, zumindest vom Cover her jede Menge Abwechslung zu bieten… haaaarrrrrrrrr.
    Im Grunde genommen gibt es noch soviel tolles Neues alleine für die Wii zu entdecken, erfinden und umzusetzen. Nur der Mut, der scheint noch zu fehlen. Auch die Wii wird ja leider nur mit lieblosen Fort- oder Umsetzungen bekannter Spieleserien bombardiert. Ganz toll. Dabei könnte man neben Golf und Tennis allein schon so viele Sportarten bestimmt auch noch umsetzen. Aber vielleicht kommts ja jetzt bald endlich mal, wer weiß. View all comments by Christian

  3. Ich sehe die Gefahr wirklich darin, dass demnächst nur noch für die sog. breite Masse produziert wird. Hat zwei Vorteile für die Produzenten. Wenig Entwicklungskosten (da einfache Games) und hohe Verkaufszaheln (da Massenmarkt). Macht zusammen eine schöne Gewinnerhöhung. Alle freuen sich, der Vorstand, die Shareholder, nur der wirkliche Gamer nicht. Denn der wird sich damit nicht zu frieden geben (ich zumindest nicht). Hoffe es werden in Zukunft trotzdem noch Spiele wie Oblivion oder Fable rauskommen. Aber wenn “die” erst mal merken, mit welch geringen Aufwand viel Geld zu verdienen ist, sehe ich schwarz für meine Wünsche. View all comments by zwerchserver

  4. Ich sehe Casual-Games bzw. Games für den Massenmarkt ja eher als Möglichkeit, Nicht-Spieler langsam an ‘richtige’ Spiele heranzuführen. Andererseits: Eine große Menge an Spielen für den Massenmarkt, die etwas einfacher gestrickt sind, muss auch nicht falsch sein. Was hatten wir damals Spass mit Pacman, Superfrog und Apydia. Und die waren nun alle nicht sehr aufwendig…nach heutigen Maßstäben. Spaß gemacht haben sie trotzdem. View all comments by Christian

  5. Will mal ketzerisch sein: Wie lange hat es gedauert bis die Speileindustrie es geschafft hat, dass wir auch komplexe Spiele verstehen? Noch mal 20 Jahre Pacman und Frogger-Niveau. Och nee…

    Und in den 20 Jahren sind stehen dann wieder planlose Gamer in den Startlöchern. Ein Teufelskreis. View all comments by zwerchserver

  6. Naja, wenn man es so betrachtet, mag es stimmen. Aber wie gesagt: Ich glaube schon, dass der Markt der Durchschnitts- und Hardcore-Gamer, wie er heute existiert, auch genau so weiter bedient werden wird. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Industrie allein auf diesem Markt mehr Umsatz verbucht, als die gesamte Filmbranche an der Kinokasse. Und da ist der Hardware-Verkauf noch nichtmal mit eingerechnet. Die Branche würde sich ja also nur ins eigene Fleisch scheiden, wenn sie diesen Markt plötzlich zu Gunsten der Neuerschließung eines anderen Marktes aufgeben oder auch nur vernachlässigen würde. Ich glaube allerdings, dass nunmehr viele kleinere Entwicklungsstudios, die vielleicht keine großen Budgets, dafür aber große wie einfache Spielkonzepte in der Schublade liegen haben, in Zukunft vielleicht ein wenig mehr gefördert werden. Zu wünschen wäre es jedenfalls. View all comments by Christian

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