Manchmal, da gibt es diese Spiele, die schlicht und ergreifend mit dem völlig falschen Timing in diese Welt geworfen werden. Sprich: viel zu spät kommen. Oder: zu einem Zeitpunkt, da die direkte Konkurrenz mit dem potentiell weit überlegenen Titel um die Ecke kommt. Bizarre Creations‘ neuestes Machwerk Blur dürfte solch ein Spiel sein.
Wer, wie ich, seit vergangener Woche die Möglichkeit hat, als Teilnehmer der Multiplayer-Beta seine ersten Runden auf den farbenfrohen Pisten Blurs zu drehen, wird nämlich leider relativ schnell feststellen, dass Bizarre Creations es bedauerlicherweise weder schaffen, sich durch die Vermengung diverser Spielelemente aus klassischen Rennspielen, WipeOut und Mario Kart in besonderer Weise vom Racing-Wettbewerb abzugrenzen, noch, die genannten Elemente in einem wirklich homogenen und langfristig motivierenden Cocktail zu vermengen, der dem verwöhnten Gourmet-Gaumen schmeichelt.
Das erscheint allein schon deshalb enttäuschend, da die Schöpfer des Spektakels in der Vergangenheit immerhin bereits mit der Project Gotham Racing Reihe nicht nur Erfahrungen, sondern auch ordentlich Kudos bei Kritikern und Fans sammeln konnten. Blur hingegen ist zwar weit davon entfernt lieblos zu wirken, kann den Eindruck latenter Uninspiriertheit jedoch leider nicht abschütteln.
Als reinrassiger Racer versagt es in erster Linie aufgrund des völlig deplaziert wirkenden Fahrverhaltens seiner Karossen. Zuweilen fühlt man sich eher als Lokführer denn als Steuermann eines agilen Flitzers, so smooth und behäbig wirkt die Steuerung. Insgesamt wirken die Fahrzeuge dadurch eher, als würden sie dahin gleiten, denn mit wirklicher Bodenhaftung über ausgefuchste Pisten brettern.
Der Unterschied im Fahrverhalten verschiedener, in der Beta enthaltener Boliden erscheint entsprechend oftmals marginal bis nicht vorhanden. Lediglich der Camaro neigt in Kurven gerne dazu, übermäßig schnell mit dem Heck auszubrechen. Und selbst dann wird man irgendwie das Gefühl nicht los, als rase das Heck auf Schienen am eigenen Cockpit vorbei.
Die WipeOut-Einflüsse spiegeln sich vor allem in einer leicht übertrieben wirkenden Colorierung wider – und eben der Möglichkeit, durch Beschleunigungsboni hin und wieder so dermaßen Gas zu geben, dass die Landschaft um einen herum in einem einzigen, ineinander verschwimmenden Wooosh! dahinzufliegen scheint. Daher wohl auch die Namensgebung. Die Wirkungsdauer des entsprechenden aufzusammelnden Bonus-Objektes erscheint allerdings viel zu gering, mehr als ein paar hundert Meter Beschleunigung sind nicht drin – und einen wirklichen Vorteil gegenüber den konkurrierenden Mitfahrern scheint man sich dadurch auch nicht herauszufahren.
Die aufzusammelnden Bonus-Objekte sind dann zu guter Letzt die oben erwähnte Referenz zu Mario Kart. In regelmäßigen Abständen finden sich auf der gesamten Streckenbreite verschiedenste Items zum Einsammeln, die das eigene Fahrzeug kurzzeitig mit besonderen Fähigkeiten ausstatten. Vom genannten Geschwindigkeitsschub, über einen 3er-Schuss, zielsuchende Energiebälle, Minen etc. ist eine kleine, aber ausreichend diversifizierte Palette an Bord. Jeweils 3 Items lassen sich maximal parallel durch die Gegend kutschieren und nacheinander nutzen.
Im Gegensatz zu Mario Kart stehen aber allen Spielern grundsätzlich immer die gleichen Items zur Verfügung. Führende werden also nicht mit schwächeren Items versorgt als der jeweils letzte. Das erhöht zwar einerseits die Chancengleichheit, mindert jedoch andererseits den besonderen Spaß im Vergleich zu Marios abstrusem Funracer. Wenn grundsätzlich jeder die Möglichkeit hat alle Items zu nutzen und sich die Fähigkeiten somit permanent egalisieren, wird dadurch eigentlich das komplette Item-Sortiment ad absurdum geführt.
Stattdessen könnte man sich lieber genauso gut auf das reine Fahren konzentrieren – und fährt mit dieser Strategie oftmals sogar deutlich besser. Wer sich auf die Strecke konzentriert – und darauf, hin und wieder den geschossen und Fallen der Gegner auszuweichen – hat am Ende deutlich höhere Chancen auf einen Platz auf dem Podium. Zumindest hier macht Blur dann doch alles richtig, indem es fahrerisches Können besonders belohnt. Wer sich hingegen zu sehr auf die Itemnutzung verlässt, wird sich ganz schnell des Eindrucks nicht erwehren können, dass es sich um reines Glücksspiel handelt, auf welchem Rang man am Ende landet.
Blur kommt aber nicht nur zu spät, weil praktisch alle enthaltenen Spielelemente so bereits deutlich besser und origineller in anderen Racern vorhanden waren, sondern es kommt auch noch mit einem schlechten Timing, denn praktisch zeitgleich zum Release schicken die Black Rock Studios sich an, ihren Pure-Nachfolger im Geiste Split/Second auf die Strecke zu schubsen, eine Art Burnout auf Steroiden. Und während der Fahrt explodierende Landschaften sowie die Möglichkeit, seine Gegner unter abstürzenden Flugzeugen begraben zu lassen, sind einfach so viel sexier als zielsuchende Elektrofelder…
Nichts desto trotz hatte ich mit Blur eine oder zwei vergnügliche Spielstunden lang meinen Spaß – der dann allerdings leider viel zu schnell abflachte. Fans von derlei Action sollten den Titel jedoch unbedingt mal im Blick halten. Technisch gibt es allerdings noch einige kleine Macken auszubügeln. Neben merkwürdigen Textur-Fehlern im grafischen Bereich erscheint der Net-Code noch nicht wirklich ausgereift.
Zwar spielen sich die Rennen absolut flüssig und lagfrei, jedoch gelingt es in einigen Fällen gar nicht erst, eine Spielverbindung aufzubauen. Das Spielen mit Leuten aus der eigenen Freundesliste scheint mancherorts ebenfalls zu Problemen und regelmäßigen Spielabbrüchen zu führen. Kuriosestes von mir beobachtetes Phänomen ist allerdings, dass ich neulich kurz vor der Ziellinie definitiv noch von einem Gegner überholt wurde, der mich durch geschickt getimeten Waffeneinsatz von der Gewinnerspur abzubringen wusste. Ich konnte jedenfalls genau sehen, wie er vor mir über die Ziellinie gefahren ist – wenn auch nur knapp. Trotzdem wurde ich am Ende zum Sieger des Rennens gekürt. Da scheint im Net-Code dann doch noch irgendwas ganz gehörig schief gelaufen zu sein.
Aber was soll’s, solange es zu meinen Gunsten ist… 😉 Ein bißchen Zeit, um diese Macken auszubügeln bleibt ja noch. Und dafür gibt es schließlich diese Mutliplayer-Beta. Vielleicht wird am Ende ja sogar doch noch ein runder Action-Racer aus Blur. Immerhin gilt noch zu bedenken, dass vom Singleplayer-Teil bislang noch nichts gesichtet wurde. Vielleicht reißt der den Titel noch ordentlich nach oben? Ich für meinen Teil warte aber doch lieber auf Split/Second. Das scheint mir, zumindest nach Betrachten der bisherigen Trailer, am Ende das bessere Rennspiel mit Fun-Appeal zu sein.
Stimme dir bei vielen Sachen zu, bei mir hat Blur nicht so lange ausgehalten.
Ich hoffe das mich Split/Second nicht auch so enttäuscht. View all comments by Joris
Richtig erkannt. Wenn ich unverschämt schnelle Rennaction in Fahrzeugen mit Bewaffnung möchte, spiele ich Wipeout. Da passt einfach alles besser in den Kontext. Ein “futuristischer” Racer wo ich meine Kreise in Nachbars BMW drehe ist imho daneben. View all comments by Kazoom
ich hatte 2 beta-codes, aber allein schon die ersten trailer konnten mich davon nicht überzeugen. da bleibt man doch lieber bei mario! ^^ View all comments by Yaab
Gerade die Verbindung von normalen, nichtmal getunten Straßenkarossen und futuristischen Waffen lässt die Szenerie an sich schon ziemlich albern wirken, ja. View all comments by Christian
Habe Blur einen haben Tag gespielt. Und fand es irgendwie langweilig. Erstes kamm kein richtig Geschwindigkeits gefühl auf. Und so richtig wollte der Fun Funke auch nicht überspringen. Hoffe mal auf den Demo von Spilt / Seconde. View all comments by Actionman
“Ich konnte jedenfalls genau sehen, wie er vor mir über die Ziellinie gefahren ist – wenn auch nur knapp. Trotzdem wurde ich am Ende zum Sieger des Rennens gekürt. Da scheint im Net-Code dann doch noch irgendwas ganz gehörig schief gelaufen zu sein.”
Das ist bei Mariokart leider genau so. View all comments by Holger