Was ist denn da gerade bei Factor 5 los? Dem im amerikanischen Exil lebenden, legendären Kölner Entwicklerstudio scheinen gerade die finanziellen Mittel auszugehen. Lag Lair, der als vermeintlicher Systemseller angekündigte Drachenkämpfer-Titel für die PS3, doch schwerer als Blei in den Regalen? Hat Herr Eggebrecht sich bei den Lehmann Brothers verschätzt? Oder warum hat er seinem Unternehmen kurz vor dem Nikolaus ein einwöchiges Ultimatum gesetzt, innerhalb dessen es entweder gelingen müsse, genügend Geld für den Erhalt des Studios aufzutreiben, oder es nötig wäre, den Laden ein für alle Mal dicht zu machen? Nach außen hin scheint alles gut zu sein. Ruft man die Website des Unternehmens auf, wird man unweigerlich auf einige offene Jobangebote stoßen. Zu tun gibt es also offenbar genug? Wie also passt das nun zusammen mit der Meldung, dass bereits die ersten Projekte zusammengestrichen und die Entwickler auf andere Entwicklungen verteilt wurden? Lag es an den Projekten? Zeichnete sich einfach nur ab, dass die entsprechenden Titel an den eigenen Qualitätsansprüchen scheitern würden, oder muss da gerade ganz dringend irgendwas fertig werden, das schnell in die Regale gelangen und Geld in die Kassen spülen kann?
Die Fragen nach dem derzeitigen Zustand von Factor 5 kamen auf, nachdem sich Sam Baker, von Beruf Animator bei Factor 5, in seinem privaten Blog “Animator for Sale” am Nikolaustag über die Lage des Studios ausgelassen hatte.
“When I came back from The Orphanage, I find out no one at Factor 5 had been paid in a month…. and we weren’t going to any time soon. It was incredibly lucky that I got the Orphan gig when I did, or else I would have been in deeper shit than I am right now. Anyway, regardless of the financial issues of the company (which I won’t elaborate on), we all stayed and continued to work. If we left, there would have been no hope in F5 staying afloat. We had faith in the projects and the company, so there was no reason to bail just yet. At this time it didn’t seem like much more than bad timing and bad luck.”
Eröffnet hatte er den Blogeintrag mit den Worten “So I figure I’m at liberty to talk about how my company is doing, because it’s really not confidential, and it’s part of my industry experience.” So weit wollte man die Redefreiheit in Californien aber wohl nicht gedeihen lassen, weshalb zunächst nur der Artikel Bakers Blog verschwunden war. Leider hat man wohl nicht bedacht, dass das Internet nur ungern etwas vergisst, weshalb Interessierte den Originaltext derzeit noch im Google-Cache finden werden. Nach einem Bericht zur Lage auf 1up.com hat Baker sich offenbar dazu entschlossen, gleich sein gesamtes Blog, mit Ausnahme einer kleinen Richtigstellung, zu löschen. Darin heißt es:
“A writer for 1up came across my blog and read some information that was then misinterpreted. I’d like to clarify what exactly is going on.
Steve Watts of 1UP wrote that I said Factor 5 cut one of their main projects, a comic book superhero game, and that’s incorrect. It was a big story in the news that we recently lost a publisher, Brash Entertainment, when they went out of business. This does not mean that we’ve stopped production on that game, or that it was ever even in trouble. The other projects currently under way at Factor 5 are doing great. We hadn’t received payment because of the situation with Brash, which is why I said I needed to look elsewhere for work.
I removed my blog because it contained information that easy to misinterpret. I’m not, nor have I ever been in contact with 1up and was not a direct source for their article. Sorry for the confusion”
So ganz glauben mag man ihm aber irgendwie nicht, da sein ursprünglicher Eintrag zwar in einigen Punkten vielleicht tatsächlich leicht mißverstanden werden könnten, in anderen allerdings sehr eindeutig zu sein scheinen. Wenn die Lage so dramatisch gar nicht ist, wieso sollte man als Company dann etwa seinen Mitarbeitern die Krankenversicherung komplett streichen?
Arbeit scheint es allerdings nach wie vor mehr als genug zu geben. Jedoch zählt Bakers zuletzt bearbeitetes Projekt wohl offenbar zu denen, die einer Streichung zum Opfer gefallen sind. Nicht besonders aufmunternd, wie man sich denken kann:
“Without proper funding on the project I was working on, the company was forced to stop production. Unfortunately I was finally having a ton of fun working on it and we had made such insane progress that this was a total kick to the chest. It was basically like saying “the work you’ve been doing for the last 8 months has been all for none, but thanks anyway.” After that news, moral was definitely not the greatest. We figured it wasn’t a problem, however, because there were other projects that needed us, and we still had work to do. So then…”
Wollen wir mal hoffen, dass dies bloß die Worte eines frustrierten Mitarbeiters waren, der bei dem Versuch, seinem generellen Umnut über den Verlust des eigenen Projektes Luft zu verschaffen, ein wenig über das Ziel hinaus geschossen ist. Andererseits deutet die Löschung des Blogeintrags darauf hin, dass derartige Äußerungen natürlich in gegebenenfalls laufenden Verhandlungen mit möglichen Investoren ein schlechtes Licht auf die Firma werfen könnten. Investitionen würden dadurch zwangsläufig unwahrscheinlicher oder geringer ausfallen als eventuell nötig.
Ich wünsche mir jedenfalls inständig, dass es am Ende wirklich alles nur ein Mißverständnis war und es sich tatsächlich lediglich um temporäre Schwierigkeiten aufgrund eines Publisher-Verlustes handelt. Wer sollte denn sonst bitte weiter an Turrican 4 arbeiten? Falls es denn überhaupt jemals wirklich ernsthaft entwickelt wird.
Ich hasse es, wenn mir mitten beim Schreiben eines Eintrags aktuellere Meldungen reinflattern und ich plötzlich alles so umschreiben muss, dass es sich hinterher liest, als hätte ich gewollt aber nicht gekonnt. Grmpf. View all comments by Christian
Factor wer? View all comments by Ben
Die Frage meinst Du doch hoffentlich nicht ernst, oder? Oder?! ODER?!?!?!? View all comments by Christian
Tja, ich fürchte, Factor 5 hat seine besten Tage auch schon lange hinter sich. Wann hat man denn das letzte Mal von einem echten Superhit von den Jungs gelesen? Die erste Hälfte der 90er mit den Turricans, das waren noch Zeiten. View all comments by blumentopferde
Diese Meldung finde ich nicht gerade überraschend. Eigentlich wundere ich mich sogar, dass es die immer noch gibt. Solange sie solchen Mist wie Lair produzieren ist mir auch herzlich egal was mit ihnen passiert.
Wünschenswert fände ich es allerdings, wenn sie sich wieder auf alte Zeiten zurückbesinnen und 2D-Spiele für die Download-Angebote der aktuellen Konsolengeneration produzieren würden. Wäre vielleicht auch ein Weg aus der Krise. Zig Millionen und einige Jahre in Ladenhüter wie Lair zu investieren kann ja schließlich kein tragfähiges Geschäftsmodell sein. View all comments by ahe
Naja, solange Sony gut für die Produktion von Exklusivtiteln zahlt rechnet es sich ja. Dumm wirds halt nur, wenn die Spiele hinterher keine Käufer finden und der Gewinn, der die Weiterarbeit sichern würde, zu niedrig ausfällt oder ausbleibt. Dann wird so ein Publisherabsprung, wie sie das wohl gerade erlebt haben, ganz schnell zu einem großen Problem für einen auf dem Papier unabhängigen Entwickler. View all comments by Christian
Ich habe zwar die ganzen Turricans auf C64 und Amiga gezockt, aber der Name Factor 5 war bei mir nicht hängengeblieben. View all comments by laZee
1+2 waren auch noch eine Rainbow Arts-Produktion, die lediglich über Factor 5 veröffentlicht wurden (damals noch mit dem alten Logo). Erst Teil 3 kam dann komplett von denen, soweit ich mich erinnere. View all comments by Christian