…und sanfte Wellen umspielen Dein Sturmgewehr

Kürzlich hat der werte Herr Epospecht in seinem dringendst empfehlenswerten Blog einen Text verfasst, der den Titel “gespieltes Fernweh” trägt und sich – grob gesagt –  mit dem Gefühl des völligen Aufgehens in einem Computer- oder Videospiel beschäftigt. Allerdings nicht schlicht reduziert auf die schnöde Erklärung spieltheoretischer Grundlagenforschung, sondern festgemacht am Empfinden eines “in die Magenwand drückende[n] Gefühl[s] der unerfüllbaren Sehnsucht nach dem Abbild einer als Wirklichkeit wahrgenommenen Szenerie.” Oder schlichter ausgedrückt geht er dem Phänomen auf die Spur, welche Spiele unter welchen Umständen Gefühlsempfindungen derart anregen, die am ehesten mit dem Begriff Fernfeh zu umschreiben wären.

Ihr kennt sie sicherlich, diese eher seltenen Momente, in denen man wirklich das Gefühl hat, eins zu werden mit der Spielwelt und nur noch diese als das unmittelbare Jetzt und Hier wahrzunehmen. In denen man einen Schritt in die Spielwelt tut und sich wünscht, diesen Schritt nun wirklich zu gehen…. oder tatsächlich Herr über ein Reich zu sein, Städteplaner, Handelsmann, Abenteurer, Erforscher, vielleicht auch Söldner, Raketenmann oder sicherlich ganz einfach – ein Held. Diese Momente, in denen man sich für seine virtuellen Schützlinge verantwortlich fühlt, die Schönheit der Spielwelt genießt oder sich genauso traumwandlerische Freiheit wünscht, wie sie vor unseren Augen flimmernd dahinwabert.

Dabei müssen es oftmals gar keine komplexen Welten-Konstrukte oder verschachtelten Spielmechanismen sein, die uns mit oben beschriebenem Wohgefühl erfüllen. Zumeist reichen auch ganz kleine, eher kurze Momente oder Situationen, um uns mit einer – zugegeben etwas wundersamen – Art von Fernweh zu erfüllen.

Für mich etwa ist nach wie vor Far Cry ein Paradebeispiel für solcherlei kleine Momente. Dabei empfand ich das Spiel selbst eher als Mittelmaß. Hinzu kommt die Frage, wer sich schon wirklich (wirklich) in einem von verrückten Wissenschaftlern mit blutrünstigen Monstern bevölkerten Inselparadies herumdrücken möchte? Und doch gab es dort immer wieder Situationen, in denen zumindest ich mir gewünscht hätte, nun selbst auf diesem oder jenem Plateau zu stehen und die sich unter mir ausbreitende Bucht, das vor mir aufragende Inselmassiv, die federleicht durch die Luft schwirrenden Tropenvögel oder die in sanften Wellen dahingleitende Brandung in natura betrachten zu können.

Der wahre magic moment war jedoch jener Augenblick, in dem ich das erste Mal mit meinem Helden mit einem Paraglider in die Lüfte stieg, um mich von dort aus direkt hinab in die Fluten eines plätschernden Gebirgsflusses zu stürzen und das programmierte Rauschen des Wassers zu hören. Ein Rauschen, das so sehr nach verheißungsvoller Erfrischung und angenehm chilliger Kühle klang, dass ich am liebsten stundenlang einfach nur darin herumgetaucht wäre.

Das sind sie, die Momente, in denen ich endlich den besonderen Reiz von Spielen in seinem vollen Umfang verstehe, statt mich einfach nur dem dumpfen Konsum grellbunt-dröhnender Entertainment-Monster hinzugeben. Und davon gibt es noch den einen oder anderen, der vielleicht etwas as der Reihe fallen mag und der nicht unbedingt mit den magic moments übereinstimmt, die der Allgemeinheit gemeinhin als besonders erinnerungswürdige mindfucks im Kopf geblieben sind. Vielleicht ein guter Anlass, da mal eine kleine Mini-Serie draus zu stricken. Damit hier nicht wieder 3 Wochen lang komplette Funkstille herrscht (jaja, die liebe Arbeit… hat halt im Zweifelsfall immer Vorrang vor dem Bloggen). Was meint Ihr? Und was sind Eure kleinen großen Momente, in denen Ihr voll und ganz im spielerisch erlebten aufgeht?

11 Comment

  1. Bei mir sind das CMR: DiRT1 und Forza…wobei ich das dort immer als Ersatzhandlung beschreibe, eben weil ich in manchen der Autos schon saß, die deutschen Strecken schon mal befahren/erlebt habe und mich nach dem Race to Clouds/Pikes Peak sehne, vorallem nach dieser Zeit in den 80ern. Weil ich auf den Schultern meines Dad als kleiner Steppke einige Rallye- und AutocrossRennen erlebte.

    Oder Deus Ex 1, ich mit JC Denton dieser große Sache auf der Spur…

    Ach verdammt, ich werd darüber auch mal am WE bloggen müssen View all comments by Kavendish

  2. Netter Text, ist auf jeden Fall ein interessantes Thema. Das erste Spiel, was mir in diesem Segment einfällt, ist Minecraft. Wenn man auf sein selbst gebautes Reich blickt, fühle ich mich wirklich so, als wäre das eine Spielwelt, die mich in ihren Bann zieht. So geht es zumindest mir so. Etwas weniger nischenhafte Beispiele, dafür mit dem gleichen Effekt, sind in meinen Augen atmosphärische Open-World Games Marke Rockstar wie eben GTA und Red Dead Redemption, oder mit Abstrichen auch Assassin`s Creed. View all comments by AssassinsWeed

  3. Das erste was mir dazu einfällt ist anno (in diesem Fall 1404 und 1701), welche ich zwar extrem selten Spiele, aber dann stundenlang bis spät in die Nacht ohne wirkliches Ziel nur den kleinen Männlein beim Häuschen bauen zusehen. Und dann höre ich irgendwann einfach auf zu spielen um irgendwann Monate später wieder 4,5,6 Stunden in einer neuen welt zu versinken

    Zwar habe ich das Gefühl auch noch in anderen spielen aber gerade ist mir dazu spontan anno eingefallen, dabei würde ich das nichtmal ansatzweise als eines meiner Lieblingsspiele bezeichnen. View all comments by Ramuh

  4. Crysis. Finde das Spiel an sich nicht wirklich sooo toll, aber als ich (ganz am Anfang) merkte, dass man einfach so im Meer schwimmen und vor allem tauchen kann, war das ein ähnlicher Augenblick. Oder damals bei Warcraft 2. Als meine Peons plötzlich abgeschlachtet wurden und ich nur noch eine Handvoll (verfolgt von Soldaten) in meine Basis retten konnte. Da sah ich förmlich, wie sich das Holztor hinter ihnen schloss, bevor sich meine Kanonentürme den Menschen “angenommen” haben.
    Und natürlich Morrowind! View all comments by Chris

  5. In der Tat, bei Far Cry hatte ich ebenfalls ein bis dato unerreichtes Gefühl von Sommer, Sonne, Strand und Dschungel. Bei Crysis, ich stimem hier einem Vorposter zu, war es in den Anfangslevels ähnlich.

    Sehr gute Atmosphären schufen aber schon in den 80igern Dungeon Master, Midwinter, Carrier Command und auch ganz alte Spiele wie Knightshift. Trotz extremer Farbarmut und grobem Gepixel. 🙂

    Tip: Gute “Urlaubsgames” sind auch Tomb Raider Underworld und Uncharted. View all comments by Mnemo

  6. Robinson’s Requiem. ’nuff said. View all comments by Freddi

  7. Eines der wenigen Spiele, bei denen ich so eine Art Fernweh empfand, war OUTCAST. Ich war wirklich gerne in dieser Spielwelt. Schade, dass es nie eine Fortsetzung dieser oft übersehenen Perle gab… View all comments by SpielerZwei

  8. Sehr schöner Artikel!

    Mir geht es oft bei Halo so, ein Spiel, dem ich jetzt per se nicht das Prädikat herausragend geben würde, gleichwohl es spielerisch wirklich sehr gut ist, vielmehr begeistert mich bei den Halo Spielen stets die Atmosphäre und die damit einher gehende Musik. Die aussergewöhnlich schönen Aussenareale der Halo-Spiele lassen mich jedesmal tief in die Abenteuer des Master Chiefs eintauchen.

    Ein weiteres Beispiel wären die Welten der Metroid Prime Spiele View all comments by profund-blog

  9. […] KonsolenDealz Team Jan und TomNews & Lesenswertes:Gratis Portal 2 Soundtrack (bei randomrocket)… und sanfte Wellen umschlagen Dein Sturmgewehr (bei EndofLevelBoss)Wie ich wieder zum Konsolenspieler wurde (bei nesisdead)Geschichten in Videospielen: Vom Einzeiler […] View all comments by Highlight Roundup 21/2011 | KonsolenDealz

  10. ElmexUbi says:

    Super Artikel.

    Ich denke mein letzter “WHAT THE FUCK?!??” Moment war in Left 4 Dead, und zwar in der Episode Dead Air, als ich, Spieler auf das Flugfeld trete, und Zeuge des beeindruckensten Flugzeugabsturzes werde , der je aus Pixeln geformt worden ist. Oder bei Gears of War 2 die Episode in dem Wurm…
    oder in Half Life 2 das Ravenholm Kapitel

    all das dinge, die ich gerne wirklich erlebt hätte (jetzt wo ich das so lese, hört sich das ziemlich unlogisch an, irgendwie…) View all comments by ElmexUbi

  11. […] war der folgende sogar einer der allerersten Momente, an die ich denken musste, als ich neulich über Epospechts Eskapismus-Gedanken gestolpert bin. Zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade Metal Gear Solid 4 angefangen und kurz zuvor den Game One […] View all comments by Let it snow! | end of level boss

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