Inhale

kalauer

Mal ganz ehrlich: Wer braucht heutzutage eigentlich noch Handbücher? Hat von Euch in letzter Zeit mal irgendwer in eines der Papier-Machwerke reingeschaut, die den Packungen Eurer Spiele im Regelfall beigelegt sind? Nein? Vor ein paar Jahren hallten ja noch regelmäßig Aufschreie der Verzweiflung durch die Jugendzimmer dieser Welt, wenn so ein Handbuch unter 120 Seiten hatte und/oder nur in Schwarz/Weiß gedruckt war und die dafür nötige Verpackungskiste nicht mindestens die Ausmaße eines Kindersarges hatten. OK, das mit der Verpackung finde ich auch heute noch wichtig. Man will ja schließlich zeigen was man hat. Deshalb mag ich Collector’s Editions schließlich so gerne. Haha. Heute ist es doch im Grunde genommen völlig schnurz, wie so ein Handbuch aussieht, man wirft doch sowieso nur höchstens einen flüchtigen Blick kurz nach dem ersten Öffnen der Packung hinein. Inhaltsverzeichnis? Check? Epilepsie-Warnnung? Check. Ausführliche Biografien der Charaktere? Chrrrrzzzz… hm? Oh sorry, ich war kurz weggenickt. Was früher, in Zeiten von Games, die auf einer einzigen 3,5-Zoll-Diskette Platz fanden, Gang und Gäbe war (nämlich ein üppiges Handbuch mit schier endlos vielen Hintergrundinfos, Charakterisierungen, detaillierten Equipment-Beschreibungen und den letzten 3 Stuhlgängen des Helden), interessiert heute keine Sau mehr.

Die elementaren Grundzüge der Steuerung haben gefälligst in einem Tutorial dargelegt zu werden, das möglichst nicht den Spielfluss stört und schon gar nicht vom eigentlichen Spielstart ablenkt, der Rest dann immer wieder mal nebenbei on the fly, also während des Spielverlaufs, dort wo es nötig ist. Alles andere ergibt sich schon von selbst.

Erfahrene Spieler werden vermutlich sogar bereits beim Lesen des Wortes “Tutorial” zähneknirschend die Augen verdrehen und wüste Verwünschungen in sich hineingrummeln, die den Entwicklern sinngemäß mindestens die Pestillenz an jedes einzelne Sackhaar wünschen. Tutorial? Ich brauche kein Tutorial! Ich drücke einfach alle verdammten Knöpfe einmal in jeder erdenklichen Kombination durch und schaue was passiert. Steckt Euch Euer dreckiges Tutorial gefälligst in den Allerwertesten, setzt euch drauf und dreht Euch!

Uh, sorry, jetzt bin ich wieder unflätig geworden. Ich möchte mich hiermit eindringlichst bei all jenen fragilen Feingeistern entschuldigen, die sich an meiner rüden Wortwahl reiben und sich in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestört fühlen. Ich bedaure aufrichtigst und zutief.

Nicht. Jedenfalls ist eines in den vergangenen Jahren ziemlich deutlich zu Tage getreten: Handbücher haben absolut an Bedeutung und Wichtigkeit verloren. Wenn sie nicht mindestens von solch humorigen Zoten wie im Falle eines Grand Theft Auto IV durchzogen sind (Pißwasser, anyone?), kommt man entsprechend leider fast schon nicht mehr umhin, sie als überflüssig zu bezeichnen… Wenn, ja wenn sie nicht durch ein ganz wunderbares Merkmal gekennzeichnet wären, das jeden Gamer wie einen Junkie erführchtig und lüstern zugleich erzittern lässt, sobald er nur in die Nähe einer noch versiegelten Spielehülle kommt.

Es ist der Geruch! Das unvergleichliche Aroma frischer Druckerschwärze, die sich mit den chemischen Dämpfen der Kunststoffhülle zu einem unnachahmlichen Odeur vermengt und die Nase mit feinsten Reizen zu entzücken weiß. Ja, ich sage es ganz offen heraus: mittlerweile rieche ich lieber an Handbüchern, als dass ich sie lese! Handbücher sind das Pattex der Gaming-Generation! Gebt mir mehr Handbücher, ich brauche meinen Stoff!!

16 Comment

  1. Und manchmal findet man auf so einem Druckwerk auch lustige Kombinationen von Buchstaben und Zahlen, auch Freischaltcodes genannt. Leider oft viel zu spät und erst nach Wochen. 😀 View all comments by Dirk

  2. HAHA! Sehr komisch! Ja, ich bekenne mich. Ich rieche auch an ihnen! Deshalb darf man sie auch nicht benutzen und immer schön in die Hülle zurücklegen, um sie bloß nicht dem durchmischten Gestank seiner Wohnung zu kontaminieren!!

    Den Bedeutungsverlust der Handbücher bedauere ich jedoch nicht, weil “im Spiel” und “beim Spielen” zu lernen sowieso die beste und effektivste Lernmethode ist (siehe: James Paul Gee, toller Typ!). View all comments by Maggi

  3. Ich lese jetzt mein hundertseitiges I-War Handbuch, so! View all comments by Ben

  4. schön waren damals auch die ganzen extras neben den handbüchern. bei den magnetic scrolls adventures gab es immer einen ganzen haufen ein krempel in der packung, audiokassetten, mit kaffeeflecken verzierte akten und sowas.
    am schönsten fand ich allerdings bei zak mckracken die ausgabe des revolverblatts für das die hauptfigur schreibt.

    so sah das in etwa aus, habe leider kein pdf-scan gefunden View all comments by DavidBoring

  5. Ich hatte sie geliebt die Handbücher, damals. Die konnte man so schön während den Ladezeiten lesen. Rings of Medusa war mein Lieblingsstück. 🙂 View all comments by Patrick

  6. Das Handbuch des Amiga/PC-Adventures KGB war auch sehr nett gemacht. *Seufz* KGB war sowieso generell ein wahnsinnig gutes Spiel. Würde ich auch gerne mal wieder anspielen. View all comments by Christian

  7. Hanbücher waren früher meine Lieblings-Klo-Lektüre. Heutzutage hat man sich kaum hingesetzt da ist man schon auf der letzten Seite angekommen. Ich liebe Kurzgeschichten die einen in das Spieluniversum einführen. Wenn man heute mal einen Absatz zur Einführung liest, kann man sich schon glücklich schätzen.

    Die unsäglichen kleinen Plastikhüllen haben alles kaputt gemacht. Es ist einfach kein Platz mehr für 200-seitige Handbücher. Ich will meine Pappkartons wieder… View all comments by Kazoom

  8. @Christian: Du liebst den Geruch wie ich? Da habe ich einen Ersatzstoff für dich: Booster-Packungen von Sammelkartenspielen. Oh wie ich das früher geliebt habe, Packung auf und dran gerochen…. ah… da hat man die miese Rare-Karte die in 99 von 100 Boostern drinnen war sofort verschmerzen können…..

    Übrigends fällt mir da ein, das Grafik-Text Adventure “Die Kathedrale” von Software 2000 war ohne die vielen Handbücher fast unlösbar! Da war die 300 Seiten Kathedralenchronik enthalten, der Bauplan der Kathedrale und verschiedene Briefe. des Erbauers.
    Ohne den Bauplan konnte man beispielsweise keine versteckten Kammern finden (die übrigends selbst auf dem Bauplan nicht leicht zu finden sind) oder irgendwo in der Chronik steht etwas von einem Arbeiter der beim Bau des Altars zerfleischt aufgefunden wurde wie von einem riesigen Hund oder das bestimmte Orgelpfeifen noch nie funktioniert haben etc.
    Das war grandiose Mischung aus Bücherstudium und Spielenavigation! View all comments by Kreon

  9. Naja, also ich vermisse sie. Das sie weniger nötig sind liegt nicht nur am besseren Design der Spiele sondern auch daran dass heute immer der gleiche einfache Einheitsbrei verkauft wird. Natürlich brauche ich für den xten FPS kein Handbuch. Für ein Rollenspiel dagegen hätte ich eigentlich immer noch gerne komplette Item-Listen, Karten etc. Ach moment, das wird ja heute als Guide verkauft (AHA, vielleicht ist das ja auch die Absicht, getrennt verkaufen und mehr Geld machen). Ich frage mich allerdings schon wie neue Spieler mit bestimmten Genres ohne echtes Handbuch zurecht kommen. Aber die wirklich schwierigen Genres wie die Flugsimulationen gibts ja eh nicht mehr… View all comments by Jan

  10. …und selbst einem Falcon 4.0 wird das dringend nötige Handbuch vom Umfang des alten Testaments nur noch in PDF-form beigelegt. Schlimm. View all comments by Christian

  11. Gebt mir mehr Handbücher, ich brauche meinen Stoff!!

    Auch gut CD/DVD Rohling Spindeln!

    Ansonsten Handbuch = Klolektüre, ich hab noch nie nen Handbuch gelesen bevor ich ein Spiel angespielt hab. View all comments by Ramuh

  12. Wenn ich bedenke das ich früher noch losgelaufen bin um begehrte Walktroughbücher zu ergattern die auch noch in das letzte Geheimniss einweihen?!!

    Okay bei FF7 hatte das noch Sinn aber 39 Euro für ein Buch über Tekken???? View all comments by Basti

  13. Handbücher schnüffeln? Hm… Wäre doch glatt mal einen Selbstversuch wert. Da ich die Teile immer noch liebend gern lese, bin ich auf die Idee bisher gar nicht gekommen. 😀 Aber seit ich das “Kingdom O’ Magic”-Handbuch gelesen habe (http://tinyurl.com/dlggyz), ohne je das dazugehörige Spiel gespielt zu haben (bzw. spielen zu können, da ich zu doof für die DOS-Installation war), hoffe ich eben ständig auf die richtig guten Handbücher, bei denen das Lesen Spaß macht. Hin und wieder wird man zum Glück auch fündig (“Edna bricht aus”, “Indiana Jones und die Legende der Kaisergruft”, “Rayman 3: Hoodlum Havoc”, “Odama”, “Contact”). View all comments by Alanar

  14. Hach, das Handbuch von Edna bricht aus ist wirklich toll. Vor allem in der Presseversion, wo noch so eine tolle Krankenakte beilag. 😀 View all comments by Christian

  15. […] Konsens sogar vernünftiger Videospieler dazu gezwungen werde dies auch zu tun, obwohl ich den Geruch von frischen Spielen so sehr liebe, ganz zu […] View all comments by Killerspielverbot JETZT! | NES is dead

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