Ein Tag in Albion

Die ersten zaghaften Schritte sind getan, dem Kindesalter bin ich längst entwachsen, die Kunde von meinen Heldentaten beginnt sich in Albion zu verbreiten. Zeit, eine erste Pause einzulegen und das bisher erlebte zu reflektieren. Doch zuvor noch eine Kleinigkeit: Habe ich heute eigentlich schon erwähnt, dass sich weder Microsoft noch Lionhead bei Fable 2 bislang sonderlich mit Ruhm bekleckert haben? Nein? Also gut, hier die hoffentlich letzten Peinlichkeiten im Release-Prozess von Fable 2: Wer fast direkt zu Beginn des Spiels die falschen Schritte macht, bzw. ein paar zuviel, wird sich prompt in einer Storysackgasse verlaufen und nochmal von vorne beginnen dürfen. Konkret sieht es wohl so aus, dass jeder, der die erste Mission im Tempel des Lichts absolvieren möchte, dabei aber nicht direkt zum Questgeber läuft, sobal er die im Tempel laufende Diskussion vernimmt, es wohl verpasst, einen bestimmten Trigger auszulösen, der ein Weiterspielen überhaupt erst möglich macht. Glücklicherweise hat man zu diesem Zeitpunkt noch nicht allzu Zeit in Albion verbracht, so dass ein Neustart noch nicht ganz so schmerzhaft ist. Ein anderer Bug könnte da schon etwas schwerer wiegen, sorgt er doch dafür, dass sämtliche Erfahrungspunkte und sämtliches Barvermögen des Helden komplett auf Null gesetzt werden, sofern man den Mehrspielermodus nutzt, bevor man im Singleplayer den Übergang vom Kindes- ins Erwachsenenalter absolviert hat.

Nun verdient man im Kindesalter, zumindest im Singleplayer, nicht sonderlich viel und Erfahrungspunkte gibt es eigentlich auch noch keine, so dass ich nicht ganz sicher bin, worin der große Nachteil durch diesen Bug bestehen soll. Er könnte sich aber eventuell für all jene als tückisch erweisen, die in den Pub Games bereits ein Vermögen gescheffelt hatten oder als Besitzer der Collectors Edition zum Spielstart 2000 Goldmünzen geschenkt bekommen haben. Nichts genaues scheint man aber nicht zu wissen. Wer sein Glück nicht überstrapazieren will, sorgt aber lieber dafür, dass er erst dem Kindesalter entwächst (was ziemlich schnell geht), ehe er sich zum ersten Mal in ein kooperatives Spiel wirft.

Das Kreuz mit dem Kreuz

Dann gibt es auch erstmal keine weiteren Bugs, die einen vor unlösbare Aufgaben stellen. Gänzlich ausgegoren erscheint das Spielsystem allerdings trotzdem noch längst nicht. Vor allem bei der kontextsensitiven Steuerung via Digipad, mit deren Hilfe verschiede Aktionen ausgelöst werden können, hakelt es immer wieder gerne mal. So ist es darüber möglich, etwa seinen treuen und ständigen Begleiter, einen knuffigen Hund, zu loben, heilen oder zu bestrafen.

Dazu muss man sich theoretisch nur neben den Hund stellen, damit die entsprechenden Handlungsmöglichkeiten eingeblendet werden und auswählbar sind. Wie gesagt: theoretisch. Praktisch ist leider in keinster Weise erkennbar, wann, wie und warum diese Trigger angezeigt werden und wann nicht. Sich einfach vor den Hund zu stellen reicht jedenfalls nicht aus. Manchmal rennt man in der Folge mehrfach um den Wauwau rum, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen – ohne zu wissen, was man nun anders gemacht hat als bei den letzten fünf Versuchen.

Ähnliches beim Versuch, bestimmte Posen einzunehmen, soziale Interaktionen anzuzetteln oder einen Heiltrank zu sich zu nehmen. Gerade letzteres kann ganz schön in Hektik ausarten, wenn man mitten im Gefecht immer wieder wild auf die Taste hämmert, ohne dass sich unser Recke auch nur im Geringsten bequemt, mal ein Schlückchen des belebenden Punsches zu sich zu nehmen. Argh. Glücklicherweise macht es nicht sonderlich viel aus, wenn man mitten im Gefecht mal niedergestreckt wird. Außer, dass man sämtliche Erfahrungspunkte, welche von den Gegnern in Form bunter Kugeln fallengelassen werden, verliert, die man zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingesammelt hat.

Erfahrung vs. Magie

Das geschieht nämlich über die rechte analoge Schultertaste des 360-Controllers und bringt im Grunde eine nette taktische Komponente mit. So muss man sich eben immer wieder entscheiden, ob man lieber mitten im größten Getümmel anfängt, Erfahrungspunkte zu sammeln, um so gegebenenfalls das gerade etwas spärliche Heiltränke-Inventar zu schonen, dafür aber eventuell mehrfach umgehauen wird, ob man es darauf anlegt und zunächst versucht, die Gegner vollständig zu erledigen, immer auf die Gefahr hin, dabei als erster zu Boden zu gehen und alles zu verlieren, oder ob man doch an den Heilmittelbestand geht, sämtliche Gegner bequem erlegt und anschließend die volle Punktzahl mit nach Hause trägt.

Das Ganze ist eigentlich sehr schön implementiert. Dumm ist bloß, dass die entsprechende Schultertaste doppelt belegt wurde und nicht nur zum Sammeln von Erfahrungspunkten dient, sondern gleichzeitig immer auch das Auswahlmenü für die verschiedensten Zaubersprüche öffnet. Dadurch switcht man permanent durch das vorhandene Zauberrepertoire und wundert sich im Kampf, warum zum Teufel nochmal denn bitteschön gerade wieder ein komplett anderer Zauber gewirkt wird, als man eigentlich wollte. Wer anrückende Gegner mit Feuerbällen bewerfen will, um sie möglichst weit zu schwächen und somit im Nahkampf in leichteres Spiel zu haben, stattdessen aber beispielsweise den Zauber “Wirbel” aufruft und damit nur stürmische Luft im direkten Umfeld erzeugt, wird garantiert nicht zum gewünschten Ergebnis gelangen und eventuell deutlich mehr Treffer einstecken, als ihm lieb ist.

Stimmige Spielwelt…

Zum Ausgleich gibt es dafür aber eine wunderbar stimmige Spielwelt, in der noch jedes Fleckchen Land von Hand erstellt wurde, wodurch jeder Landstrich in seinem Ausehen einzigartig ist. Die Farbgebung läßt Albion als strahlendes Märchenwunderland erscheinen, ohne dabei kitschig oder kindisch zu wirken. Tag- und Nachtwechsel haben einen spürbaren Einfluss auf das gesellschaftliche Leben, etwa wenn zum Abend hin Ausrufer verkünden, dass die Marktstände nun geschlossen werden, die Bewohner sich in ihre Häuser zurückziehen und die Straßen den Banditen überlassen. Da Fable 2 von der Spielwelt her aber deutlich linearer geraten ist als viele andere Rollenspiele, wirkt der Wechsel der Tageszeiten manchmal ein klein wenig aufgesetzt.

Mich persönlich stört in all diesen Open-World-Spielen auch immer wieder aufs neue, dass viele wichtige Missionen dank dieses Ablaufs viel zu häufig im Stockdunklen ablaufen, obwohl man doch lieber gerne mal richtig erkennen würde, wo man als nächstes lang muss und auf was man da eigentlich gerade einprügelt. Ähnlich störend habe ich den Wechsel zwischen Tag und Nacht zuletzt auch bei GTA IV häufiger empfunden.

Gelungen hingegen ist, dass einmal erkundete Ort jederzeit wieder ohne lange Laufwege bereist werden können, indem man sie im Menü direkt anwählt. Schade nur, dass der Spielfluss dann immer durch mittellange Ladezeiten unterbrochen wird.

…aber unstimmig erzählt.

Schade auch, dass das Storytelling als solches nicht sonderlich stark implementiert wurde. Die Geschichte entwcikelt sich sehr rumpelig und schwer nachvollziehbar. Was genau ist denn nun eigentlich die Motivation dieses Lord Luciens? Was will er von den Helden und warum hat er es auf den Spielcharakter und dessen Schwester abgesehen? Weshalb genau suchen wir jetzt noch gleich die drei großen Helden? Ein wenig über Luciens Motivation erfährt man mit Sicherheit doch noch. Zunächst beispielsweise dadurch, dass man sein Tagebuch findet. Warum zum Himmeldonnerwetter aber kann ich das nicht einfach in einem fort durchlesen? Warum wird es in 15 einzelne Seiten unterteilt im Inventar abgelegt, die ich jeweils einzeln anwählen muss? Das ist besonders dann nervig, wenn man sich die Texte von Luciens Stimme vorlesen lassen möchte. Dann wird man mit jedem Aufruf einer Einzelseite nämlich einmal komplett aus dem Menü in den normalen Spielebildschirm gekegelt und muss sich erst wieder mühsam zum entsprechenden Untermenü durchfummeln, um die nächsten Zeilen der folgenden Seite hören zu können.

Ebenfalls schade ist, dass die Hauptstory mitsamt aller Nebenquests nicht wirklich zusammenhängend erzählt wird. So leid es mir tut, aber hier wird sich jedes moderne Rollenspiel zwangsläufig am famosen The Witcher messen lassen müssen, bei dem sich Hauptquests über Stunden durch immer neue Aufgabenstellungen hinziehen und bei dem sich jede Nebenquest sinnvoll in den Storybogen einfügt. Bei Fable 2 sollte man stets einen Blick auf das Quest-Menü haben, weil sämtliche Aufgaben abseits der Hauptquest nur dort erwähnt werden und entsprechend ohne jeglichen Hinweis völlig zusammenhangslos dort auftauchen. Das ist besonders dann völlig bescheuert, wenn man bislang noch nichtmal die Gebiete entdeckt hat, in denen sich diese Quests abspielen sollen. Das wirkt alles ein wenig zu unmotiviert implementiert und liefert dem Spieler praktisch keinen wirklichen Spielanreiz, diese Quests zu erfüllen, wenn er nicht will – außer dass es an bestimmten Stellen nötig ist, das eigene Ansehen in der Bevölkerung Albions zu steigern und man dann einige Quests erfüllen muss, um genügend Ansehens-Punkte zu erlangen und in der Haupt-“Handlung” weiterzukommen.

Hilfe, ein unüberwindbares Butterblümchen!

Der Vergleich mit The Witcher eben bringt mich übrigens noch auf ein komplett anderes Thema zu sprechen, dass spielerisch keine großen Auswirkungen hat, mir aber dennoch ein wenig sauer aufstößt: Wieso hat sich bei dem Werk von CD Project damals eigentlich wirklich jeder außer mir darüber beschwert, dass Titelheld Geralt nicht in der Lage war zu springen und von knöchelhohen Wegbegrenzungen bereits aufgehalten werden konnte, während der gleiche Umstand in Peter Molyneux’s Werk niemandem auch nur eine Erwähnung wert zu sein scheint? Unser Titelheld hat ebenfalls Probleme mit den niedrigsten Stufen, sobald man auch nur leicht seitlich versucht, diese hinauf zu klettern und kann nur an dafür vorgesehenen Stellen auf Knopfdruck springen, wobei diese Sprünge gescriptet sind.

Letzten Endes reichen all diese kleineren Mängel bislang aber absolut nicht aus, um mir den enormen Spaß an Fable 2 zu vermiesen. Ob das irgendwann doch noch der Fall sein wird oder nicht, muss sich erst noch im Langzeittest zeigen. Wer auch nur halbwegs Spaß an Fable auf der ersten Xbox hatte, wird mit dem Kauf von Fable 2 aber nicht sonderlich viel falsch machen können. Den ersten Teil gibt es übrigens  wohl schon etwas  länger für 1200 Punkte zum Download beim Xbox Live Marktplatz.

14 Comment

  1. Danke für den Einblick. Ich denke das wird (neben BF: Bad Company) diese Woche gekauft… View all comments by Chris

  2. Hab von Bad Company zwar nur die Demo gespielt, fand die Steuerung aber absolut grauenerregend. Bäh. View all comments by Christian

  3. “Habe ich heute eigentlich schon erwähnt, dass sich weder Microsoft noch Lionhead bei Fable 2 bislang nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert haben?”

    Also haben sie sich mit Ruhm bekleckert? Oder willst du ausdrücken, dass sich weder Microsoft, noch Lionhead bei Fable 2 bislang sonderlich mit Ruhm bekleckert haben (wovon ich ausgehe)? Dann lass doch einfach das “nicht” weg. Oder streich das “weder” und mach aus dem “noch” ein “und”. Das geht auch.

    😉 View all comments by GeneCoon

  4. Jesses, Du bist aber auch ein Korinthenkacker 😉

    Sorry, dass kommt davon, wenn man mehrere Formulierungen im Kopf hat und sich für eine entscheiden muss. Da kommt dann schonmal ein Mischling bei ‘raus 🙁

    Ist korrigiert. Danke für den Tip! View all comments by Christian

  5. So. War früh einkaufen: Den Part bis man groß ist habe ich nun geschafft. Nett, und regt zum schmunzeln an. Jetzt Kaffee, danach auf in die echte Welt.

    BF: Ja, die Steuerung ist etwas hackelig; in der Demo habe ich ca. 1h gebraucht um ordentlich zu fahren. Dann aber klappt es 1a, ehrlichl. Ich brauch halt neben COD4 noch was “entspanntes” zum ballern….. 😉

    FC2 ist schon wieder verkauft…. Ende der Woche kommt Fallout3, LBP steht vor der Türe; hach herrliche Zeiten für uns Gamer, was…!!?? View all comments by Chris

  6. Habe gerade einen 30 Euro Saturn-Gutschein geschenkt bekommen und frage mich nun, was ich mir davon holen soll…. Hmmmmmm…… View all comments by Christian

  7. Oh, sehe gerade: es ist Halo3 geworden. Naja, auch okay! 😉 View all comments by Fetzig

  8. Dead Space kommt dann vielleicht zur Weihnachtszeit. Muss nun erstmal Fable 2 durchspielen, Gears 2 steht auch vor der Tür, genau wie meine Steuernachzahlung… grmpf, das wären umgerechnet mal eben 7 Spiele oder eine PS3… View all comments by Christian

  9. DER Pflichttitel momentan sollte eher Fallout 3 sein,… 😉 Was Fable II angeht stimme ich allen hier genannten Kritikpunkten absolut zu, wo Fable II für mich aber absolut punktet ist die “Feel Good” Atmosphäre die wirklich jeden in ihren Bann zieht. Die Reaktion der Dorfbewohner und die eigenen Interaktionsmöglichkeiten mit ihnen ist an sich extrem simpel, aber nicht minder effektiv. Ich weiß bis heute nicht genau, warum ich an keiner Menschentraube in Albion vorbeigehen kann, ohne meine Laute auszupacken und loszuklimpern; Warum ich mich schlecht fühle wenn ich meine Tochter alleine Zuhause lasse um endlich mal wieder ein Quest anzugehen; warum ich es nicht leiden kann wenn mein Hund Angst bekommt und ihn aufmuntern muss; warum ich freiwillig so wahnsinnig viel Zeit in die ganzen Randaktivitäten stecke, obwohl ich es eigentlich gar nicht muss und auch nicht sonderlich dafür belohnt werde. Auf dieser Ebene macht Fable II sich besonders. Selbst wenn es ganz nüchtern betrachtet “nur” ein gutes, recht lineares Rollenspiel mit viel zu einfachen Kämpfen und viel zu kurzer Story ist. View all comments by Daniel Pook

  10. Das hat mir damals auch beim ersten Teil schon einfach soviel Spaß gemacht, dass ich deswegen über alle kleinen Unstimmigkeiten komplett wegsehen konnte und auch nicht verstanden habe, warum nun alle Welt so enttäuscht von Fable 1 war. Schade nur, dass es mir nach einigen Stunden Spielzeit unwiederbringlich abgeschmiert ist. PCs halt. View all comments by Christian

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