Versägt

Spore ist wie eine dieser mehrteiligen Laubsäge-Arbeiten, die man als Kind mal im Werkunterricht fabrizieren mußte: das Ergebnis sieht zwar irgendwie hübsch bunt und lustig aus, aber so richtig zusammenpassen wollen die einzelnen Teile alle nicht. War das bei den Laubsäge-Arbeiten jedoch nicht so schlimm, weil man spätestens nach Erhalt einer mehr oder weniger adäquaten Benotung dafür schnell gedanklich einen Schlusstrich unter diesen Unfug gesetzt hat, ist der Fall bei Spore gänzlich anders gelagert. Mit Spore befasst man sich noch eine ganze Weile. Leider jedoch nicht mit dem Spiel selbst, sondern vielmehr mit dem Ärger darüber, tatsächlich soviel Geld für so wenig spielerischen Gehalt ausgegeben zu haben. Mich persönlich will das Gefühl, als Kunde so richtig über den Tisch gezogen worden zu sein, einfach nicht mehr loslassen. Machen wir uns nichts vor: das Herzstück von Will Wrights neuestem Machwerk sind nicht die fünf unterschiedlichen, frickeligen, anspruchslosen, unmotivierten, demotivierenden, gehaltlosen, nervigen, lächerlichen Spielphasen, sondern der Kreaturen-Editor. Dieses massive Herzstück, das einem als Spieler zwar nicht alle Freiheiten bei der Gestaltung seiner eigenen Figuren gibt, aber verdammt nah drankommt. Das Problem dabei ist bloß: den Kreaturen-Editor hatten die meisten von uns auch schon vorher, in Form des Spore Labors. Stellt sich also die Frage, ob das fünfeinhalbfache an Mehrkosten für ein lieblos um den Editor gestricktes Spiel wirklich eine so gute Investition sind.

Meine klare Antwort dazu: nein. Nein, nein und nochmals nein. Spore macht aus spielerischer Sicht praktisch alles falsch, was man nur falsch machen kann, aber nur wenig von dem richtig, was es richtig zu machen gilt… Und erzürnt darüber hinaus die Kundschaft durch unsägliche DRM-Gängeleien. Doch bei aller Kritik, die ich anzubringen habe, eines muss man Spore lassen: es ist einer der ganz wenigen Titel der letzten Jahre, die sich in der Verkaufsversion vom Erstverkaufstag an und ohne jeglichen weiteren Patch flüssig und praktisch ohne Probleme spielen ließen…. sofern man denn auf die Online-Funktionalitäten verzichten konnte oder wollte. Da hatte Publisher Electronic Arts vor lauter Release-Trubel wohl einfach mal vergessen, die entsprechenden Server einzuschalten, oder was war das für ein Heckmeck, den vor allem Käufer der Galactic Edition da erleben mußten? Nicht nur, dass die Server einem den Weg in die schöne neue Online-Welt verweigern wollten, wurde man zur Krönung des ganzen auch gleich noch mit der Meldung konfrontiert, die eigene Seriennummer sei komplett falsch und man verfüge nicht über die benötigten Privilegien (sic!), um sich ins Online-Getümmel stürzen zu dürfen. Da buttert man also 65 Euro in den Popo der Elektronischen Künste und wird nichtmal mit ausreichenden Privilegien belohnt. Frechheit. Dass meiner einer nicht der einzige mit solchen Problemen war, zeigen die Aufrufstatistiken meines Hilferufes in Artikelform zu diesem speziellen Fall nur allzu überdeutlich. Ich sage nur: absoluter Besucherrekord. Wenn doch bloß ein paar der Gamer seitdem regelmäßig hierher surfen würden *seufz*.

Doch ich schweife ab. Die Frage, ob Spore nun eher ein Spiel oder ein Spielzeug sei, ist so überflüssig wie ein Kropf und wurde von Maxis bereits dadurch beantwortet, dass sie mit aller Macht versucht haben, Spore durch zwanghaftes Überstülpen der fünf Zivilisationsphasen eben zu nichts anderem als einem richtigen Spiel zu machen. Eben jene fünf Zivilisationsphasen indes wirken jedoch so furchtbar aufgesetzt und unausgegoren, dass viele Gamer sich offenbar lieber auf das Spielzeug im Spiel, den mächtigen Editor, konzentrieren. Wer hingegen wirklich einen vollständigen Evolutionszyklus von der Ursuppe bis zur Eroberung des Weltalles durchleben möchte, dem werden einfach viel zu viele Stolpersteine in den Weg gelegt, so dass so etwas wie Spaß nur in den allerseltensten Fällen aufzukommen vermag. Da ist der Umstand, dass mit jeder Evolutionsphase die bis dahin gültige Steuerung einfach mal komplett über den Haufen geworfen wird, eigentlich noch das geringste Übel. Man gewöhnt sich im Grunde recht schnell um… muss man auch, denn ehe man sich sieht wird man ja schon in die nächste Evolutionsstufe katapultiert. Das ist auch gut so, denn gerade die Phase nach dem ersten Landgang, sowie die Städtebau-Phase sind derart nervtötend langweilig, dass man nur noch schnellstmöglich endlich sein Raumschiff besteigen und allem entfliehen möchte – und das nicht nur virtuell, bitte.

Die Behauptung, dass Spore ein bedingungslos auf den Casual-Markt getrimmtes Derivat aus allem, was irgendwie eben jenen Casual-Markt vermeintlich am meisten anspricht, sein soll, kann ich ebenfalls so nicht stehen lassen. Das mag für den Editor noch zutreffend sein, in den Zivilisationsphasen jedoch muss die Masse an Gelegenheitsspielern jedoch eigentlich zwangsläufig kläglich verzweifeln. Es fehlen einfach viel zu viele entscheidende Komfortfunktionen, die den Einstieg in die Wright’sche Interpretation diverser Game-Genres auch für Casual Gamer zu einem positiven, leicht erlernbaren Erlebnis machen würden. Vor allem wenn es darum geht, mehr als eine Kreatur über den Planeten zu scheuchen, wird es extrem schnell extrem unübersichtlich. Wenn man dann noch dazu gezwungen ist, jede seiner Kreaturen, Fahrzeuge und sonstiger Einheiten einzeln anzuklicken und zu dirigieren, ohne die Möglichkeit zu haben, sie dauerhaft zu gruppieren, verliert man jeglichen Überblick. Hinzu kommt, dass gerade in der Städte-Phase die Kamera gerne mal einen Strich durch die Bedienbarkeit macht. Nicht jedoch, weil ständig irgendein Objekt im Weg wäre, sondern weil man die meiste Zeit über nur die Wahl hat, entweder so nah heranzuzommen, dass man seine Einheiten auch wirklich noch zu erkennen vermag, oder so weit herauszuzoomen, dass man zwar einen guten Überblick über das Gesamtgeschehen hat, allerdings mit bloßem Auge seine eigenen Einheiten von fremden kaum noch unterscheiden kann. Das ist ärgerlich und zeugt von allem Möglichen, aber nicht von Bedienkomfort.

Hinzu kommt, dass die Leute bei Maxis nicht annähernd mit dem Potential umzugehen wußten, dass in jeder der einzelnen Spielphasen steckt. Natürlich wollte man sich von den Sims abheben, doch warum hat man sich so konsequent dagegen entschieden, dem Spieler die Möglichkeit zu lassen bereits durch bloße Beobachtung seines Volkes ein wenig Freude zu erfahren. Das Sims-typische Eigenleben der eigenen Geschöpfe beschränkt sich leider weitestgehend auf stupides Herumlaufen und sich fressen lassen, wenn man bloß einmal kurz nicht hinschaut. In der Stammesphase liegt die einzige Abwechslung darin, einige seiner Stammesvertreter hin und wieder zu anderen Stämmen zu schicken, um diese wahlweise zu betanzen und zu bekämpfen. Ansonsten macht es überhaupt keinen Sinn, sich näher mit dem Alltagsleben seiner Kreaturen zu beschäftigen, da diese sowieso nichts anderes machen als zu angeln/jagen/pflücken, das Erbeutete ins Dorf zu tragen und hin und wieder mal ein wenig davon zu naschen. Laaaaangweilig. Evolution durch soziale Interaktion und Erwerb von Fähigkeiten durch koordinierte Kooperation des eigenen Stammes? Fehlanzeige. Gesellschaftliche Spielchen wie Partnersuche und Sicherung des Arterhalts durch Minispiele und Konversationen im Sims-Style? Genauso Fehlanzeige! Stattdessen herrscht Langeweile in ihrer reinsten Form. Das führt zusammen mit all der Unübersichtlichkeit und der schlechten Bedienbarkeit dazu, dass man in der Städtephase regelrecht froh ist, sich in den vorigen Phasen zu einem fleischfressenden, raubenden und mordenden Arschloch entwickelt zu haben, weil man der gähnend langweiligen Ödnis dieser Phase mit ein paar gezielten Nuklearbömbchen auf die gegnerischen Häupter so schnell ein Ende bereiten darf. Nur um anschließend zur letzten großen Grenze aufzubrechen und das Spiel in der galaktischen Phase endgültig und ein für alle Mal abzubrechen. Ganz ehrlich: vier Phasen und geschätzte 6-7 Stunden lang hatte ich mich auf diese allerletzte Phase gefreut, in der Hoffnung, in den Weiten des Alls entgültig den lange vermissten Spielspaß zu finden, aber nach nichtmal einer vollen Stunde hatte ich endgültig die Schnauze voll.

Stattdessen habe ich mich, unbelehrbar wie ich nunmal bin, auf Spore Origins, sozusagen die iPhone-Version der Ursuppe, gestürzt, um ein wenig Frieden in der Flow-ähnlichen Zell-Phase zu finden und mich einfach nur treiben zu lassen. Und, oh Wunder: das klappt sogar erstaunlich gut. Dank sauber kallibrierter und gut ausbalancierter Bewegungssteuerung geht das Game gut von der Hand, sind die ersten Missionsziele sehr schnell erreicht. Sehr schön ist im – deutlich abgespeckten – Editor auch die Möglichkeit, seine Kreatur mit einem Foto aus seinem Telefonspeicher zu texturieren. Egal ob vorgegeben oder selbst fotografiert. Das ist nicht nur in der Theorie nett, sondern sieht wirklich ziemlich gut aus. Trotzdem wollten es sich die Entwickler auch hier nicht nehmen lassen, in mindestens zwei Punkten ganz massiv zu patzen. Zum einen bei einer iPhone-Eigenheit, die in jedem (absolut jedem!!!) Betatest sofort innerhalb der ersten zwei Minuten hätte auffallen müssen. Berührt man den Touchscreen des iPhones nämlich länger als eine Minute nicht, dunkelt das Telefon diesen aus Stromspargründen zuerst ab und legt ihn kurze Zeit später komplett schlafen. Das macht für den normalen Gebrauch Sinn, kann aber für Anwendungen, bei denen sich diese Fähigkeit störend auswirkt, durch die laufende Applikation ausgehebelt werden. Da sich Spore Origins nun beinahe ausschließlich über den Neigungssensor steuert (der Touchscreen wird nur im Editor und im Hauptmenü benutzt), hätte die Bildschirmabschaltung zwingend abgestellt werden müssen. Das ist aber nicht passiert und so kämpft man nun in Spore-Origins nicht nur gegen knuddelige schwimmende Kleinstviecher, sondern auch gegen dunkle Bildschirme.

Ein weiteres Ärgernis ist die fehlende Möglichkeit, seine auf dem iPhone herangezüchtete Kreatur in das Hauptspiel transferieren zu können. Warum darf ich nicht unterwegs den genetischen Grundstein für eine neue Zivilisation legen und diese dann daheim am Rechner weiterentwickeln und zur treibenden Kraft der Galaxis heranzüchten? An dieser Stelle wurde meiner Meinung nach jede Menge Potential verschenkt. Trotzdem bleibt Spore Origins unterm Strich das unterhaltsamere, liebenswürdigere Spiel, weil es gar nicht erst versucht irgend etwas anderes zu sein als ein kleines Stück kurzweiliger Unterhaltung für Unterwegs. Spore hingegen wäre gern soviel mehr als die Summe seiner einzelnen Teilen, bleibt aber immer und zu jedem Zeitpunkt eine üble Mixtur aus einzelnen Bauteilen, die beim allerbesten Willen vorne und hinten nicht zusammenpassen wollen. Fast so, als hätte man aus 100 verschiedenen Puzzles jeweils ein einzelnes Teil entnommen und diese 100 Teile zu einem neuen Puzzle vereint. Nicht kaufen.

5 Comment

  1. Du scheinst aber ziemlich von Spore enttäuscht zu sein. Enttäuschung bedeutet aber, ganz allgemein, die Nichterfüllung von Erwartungen. Mich würde interessieren, was Du von Spore erwartet hast? Das wird mir aus deinem Text nicht klar. View all comments by Einzelspieler

  2. Was ich erwartet habe: wenn schon keinen Überflieger, dann doch zumindest ein gutes Spiel, das ordentlichen Spielspaß bietet. Nichts überzogenes also. Was hab ich bekommen? Einen Haufen Müll. Ist das jetzt klarer? 😉 View all comments by Christian

  3. Der Hype der um Spore (vor der Veröffentlichung) herschte, war ja wirklich unvergleichbar.
    (Bestes Spiel aller Zeiten … hahahaha)
    Und beinahe hätte es mich auch gepackt. Ich war kurz davor es mir vor zu bestellen. Glücklicherweise habe ich es dann doch gelassen. Man brauch ja nur die Previews mit dem Reviews der größten Spielemagazine vergleichen um den Eindruck zu gewinnen, dass EA zur Veröffentlichung des Spiels das Geld für “Werbemaßnahmen” ausging.
    Da lobe ich mir die Blogosphäre, in der einfach mal gesagt wird das Spore langweilig und scheiße ist 🙂

    Nichtdestotrotz hat der Hype gereicht um knapp 2.5 Millionen Exemplare an den Mann zu bringen.
    Glückwunsch EA, ihr wisst halt wie es geht!

    P.S.: Sämtliche Behauptungen ohne Quellangaben und aus dem Gedächtnis heraus! View all comments by Rauschi

  4. Ich habe halt die Theorie, dass Spore an den Erwartungen der Spieler gescheitert ist. Und natürlich zusätzlich auch daran, dass wohl recht viele Leute ihren Frust über EA, nicht nur wegen des Kopierschutzes, zum Ausdruck bringen wollten. Ich habe aber noch nicht so recht herausbekommen, was die Leute erwartet haben. Was hast Du erwartet? Ein Strategiespiel? So was wie Civilization? Oder eher Sims Space? Ein Autorennen? 😉 View all comments by Einzelspieler

  5. am ehesten habe ich mir wohl tatsächlich ein Strategiespiel erhofft, das zumindest den Charme der Sims auf die Galaxie zu übertragen weiß. Stattdessen wurde lieblos und völlig sinnfrei zusammengekleisterte Scheiße abgeliefert, für die man auch noch durchschnittlich 10 Euro mehr als für andere PC-Blockbuster blechen muss. Nee danke. Mit mir nicht mehr. View all comments by Christian

Comments are closed.