Ein Assassine in Klagenfurt

Wir erinnern uns: Irgendwann im Laufe der Woche zwischen Februar und März hat Ubisoft ein Heidentrara gemacht, weil es wieder einmal ein potentieller Blockbuster vor dem öffentlichen Verkaufsstart in die diversen Tauschbörsen dieser Welt geschafft hat. Auffällig war seinerzeit der besonders ruppige Ton von Seiten Ubisofts, verbunden mit der Ankündigung, jeden vor den Kadi zerren zu wollen, der sich beim Runterladen und/oder Anbieten von Assassin’s Creed erwischen läßt. Das gab es bislang eher selten, stattdessen haben sich Entwickler und Publisher lieber auf das große Heulen beschränkt, wenn wieder mal ein Studio aufgrund der miesen Verkäufe trotz großer Verbreitung und Beliebtheit eines Spiels die Pforten schließen mußte. Von daher war Ubis Vorgehen im Großen und Ganzen nur zu begrüßen. Allerdings mußte ich dem Publisher damals ankreiden, dass man sich im ersten Schritt zu sehr auf die Tauschbörsen gestürzt hat, statt sich mit Ursachen- und Schlupflochforschung in der eigenen Produktions- und Verwertungskette zu befassen. In dieser Hinsicht ist nun aber offenbar auch ein Umdenken erfolgt, denn Ubi hat sich dazu entschlossen, das Presswerk, das für die Produktion der AC-Datenträger zuständig war, zu verklagen – und zwar auf satte 10 Millionen Dollar.

Interessant ist nun allerdings ein Umstand, der damals zwar schon irgendwie aufgefallen ist, nun aber doch ein wenig Kopfkratzen verursachen sollte. Der Publisher sieht nämlich durch die unrechtmäßige Verbreitung der damals noch unfertigen Version des Titels sein eigenes Image gefährdet. Angedeutet hat sich das bereits in der damaligen Stellungnahme des Konzerns, in der es unter anderem hieß:

Leider musste Ubisoft zur Kenntnis nehmen, dass illegale und unvollständige Versionen von ‘Assassin’s Creed’, die zu kompletten Systemabstürzen führen können, im Internet aufgetaucht sind. Ubisoft hat Maßnahmen eingeleitet um seine Produkte zu schützen. Entsprechend werden illegale Downloads von ‘Assassin’s Creed’ aus dem Internet von so genannten Peer-to-Peer-Netzwerken (P2P) und BitTorrent-Tauschbörsen strafrechtlich verfolgt. Zu diesem Zweck ermittelte IP-Adressen werden an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. Ubisoft Deutschland empfiehlt allen Usern, die Finger von illegalen Downloadversionen zu lassen.

Nun hat sich allerdings herausgestellt, dass die Schwachstelle tatsächlich in der Produktionskette beim Presswerk zu suchen war, genauer gesagt bei einem einzelnen Mitarbeiter dieses Werkes, bei dem mittlerweile wohl auch die entsprechende DVD sichergestellt werden konnte. Auf diesem Datenträger befindet sich eben jene bereits im März angeprangerte fehlerhafte Version von Assassin’s Creed, durch die Ubisoft sein Image empfindlich gestört sieht. Bei GameStar.de heißt es dazu, “die anschließende Diskussion in einschlägigen Foren habe demzufolge einen irreparablen Schaden für das eigene Unternehmen hinterlassen“. Kein Wunder: wenn vor Release eine nahezu unspielbare Version eines AAA-Titels durch die Weltgeschichte geistert, wird diese Version, ob illegal oder nicht, allerorts zur Hölle geschrieben, was sich durchaus negativ in den Verkäufen der finalen Fassung niederschlagen könnte.

Nun stellt sich mir allerdings eine doch eigentlich gar nicht abseitige Frage, über die Ubi bislang tunlichst den Mantel des Schweigens gehüllt hat: Wenn die Version, die da durch die Tauschbörsen flirrte, genau die Version war, die an das Presswerk gegangen ist – bedeutet das dann nicht im Umkehrschluss, dass Ubisoft es zunächst gerne in Kauf genommen hat, eine absturzgefährdete Beta-Version in den Handel zu bringen, dieser Plan aber durch die frühzeitige, illegale Veröffentlichung vereitelt wurde?

Warum sonst sollte das Presswerk über eine Fassung des Spiels verfügt haben, die letztlich ins Netz geleakt ist, wenn nicht zu Produktion der finalen Datenträger? Wenn man ein klein wenig böse ist, könnte man doch glatt auf den Gedanken kommen, dass dadurch, dass Assassin’s Creed frühzeitig im Netz zu finden war, vielleicht überhaupt erst eine fehlerbereinigte Version in den Handel gekommen ist, die ansonsten am Erstverkaufstag erst durch die obligatorische Patch-Orgie zustande gekommen wäre.

Aber das sind alles bloß Mutmaßungen, beweisen lässt sich das natürlich nicht so ohne weiteres. Ein anderer Erklärungsansatz könnte ja auch sein, dass diese fehlerbehaftete und zu kompletten Systemabstürzen neigende Fassung von Assassin’s Creed ins Presswerk gegangen ist, um eine größere Menge an Rezensions-Exemplaren für die blühende Landschaft der monatlichen Spiele-Publikationen zu fertigen. Dann müßte man als geneigter Leser nun aber endgültig mal anfangen, den gesamten Review-Prozess all der selbsternannten Fach-Blätter zu hinterfragen. Denn was müßte da dann hinter den Kulissen ablaufen, damit eine solch miese Fassung eines Titels in den Wertungen trotzdem noch mit einem Durchschnitt im hohen 80er-Bereich abschneidet?

Und die Moral von der Geschicht’? Man kann einfach niemandem mehr trauen…

7 Comment

  1. Also ich gehe zu 99% davon aus, dass immer einer der Mitarbeiter irgendeiner beteiligten Firma daran schuld ist, wenn ein Spiel vor dem Release im Netz auftaucht. Wie sonst sollte dieses System funktionieren?
    Und deine Theorie ist gar nicht mal so schlecht. View all comments by MasteRehm

  2. ich verstehe auch nicht wieso eine unfertige version beinem presswerk rumgeistert! selbst schuld! fahrlässig würde ich da sagen sehr sehr fahrlässig View all comments by rob

  3. Ich glaube nicht, dass es sich bei dem geleakten Datenträger um die Verkaufsversion hätte handeln sollen. Vielleicht war es nur ein Test, die sollten die DVD ein paar Mal pressen, um zu sehen, wie es ausschaut, obs klappt und so. Das ist ja nicht unüblich, denke ich. Außerdem kann ich mich nicht erinnern, dass die PC-Version von AC irgendwann signifikant nach hinten verschoben wurde, der Release Termin stand doch schon früh fest und wurde auch nicht mehr geändert, auch nicht in Reaktion auf dieses Debakel, IIRC. View all comments by EmmJay

  4. Hallo du!

    Mich würde interessieren wie der Titel des Beitrags zustande gekommen ist – wohne zufällig in Klagenfurt – läuft das über die IP-Adresse oder wie? Oder bist du regelmäßig in Kärnten? Greetz… View all comments by mkraxx

  5. Oh Gott, jetzt muss ich schon – zugegebenermapeß seeeeeeehr schlechte – Wortwitze erklären 😀

    Aaaaaalso… Klagenfurt steht da wegen des Gerichtsverf…. ach, bitte. Das auszuführen ist ja fast noch peinlicher als den Titel überhaupt zu benutzen… 😉 View all comments by Christian

  6. Hmmmm, tja, verstehen tu ichs immer noch nicht – aber wenn du nur wortspielmäßig draufgekommen bist – Restekp…

    http://de.wikipedia.org/wiki/Klagenfurt View all comments by mkraxx

  7. Also mir war schon klar, dass Klagenfurt ein Ort ist und so. Hab ihn bloß wegen der scheinbaren begrifflichem Nähe zum Wort Klage genommen – und weil ich das als Titel lustig fand. Ach ja, irgendwas ist immer falsch 😉 View all comments by Christian

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