Tetris für Arme

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Eine Sache, die mich zwar momentan – aufgrund des Mangels an Next-Gen-Konsolen in meinem Haushalt – nicht direkt betrifft, macht mich trotzdem derzeit ziemlich nachdenklich. Nämlich die Tatsache, dass anscheinend auch im Konsolenlager mittlerweile bei den Entwicklern und Publishern die fixe Idee flächendeckend Nährboden zu finden scheint, dass es doch eigentlich gar nicht mehr nötig ist, noch ein sauber programmiertes und einwandfrei funktionierendes Spiel zu releasen. Dass es doch offenbar völlig reicht, Beta-Versionen unters Volk zu bringen und diese, einen virtuellen Flickenteppich gleich, einfach bei Erscheinen zum ersten Mal – und danach noch zwei drei weitere Male, um das Spiel halbwegs lauffähig zu bekommen, zu patchen. Dann funktioniert es zwar immer noch nicht richtig, aber das ist ja egal, weil dann kräht sowieso kein Hahn mehr danach und alle Welt hat sich schon längst dem nächsten großen Flickwerk Blockbuster zugewandt.

Was auf dem PC seit Jahren wunderbar funktioniert, kann doch für Konsolen gar nicht so schlecht sein. Immerhin kommen die Dinger ja mittlerweile ebenfalls mit ausreichend großer Festplatte und sind architektonisch teilweise sowieso nur noch ein PC-Wolf in fescherem Schafs-Kostüm. Außerdem: Gothic 3 hat ja letztes Jahr erst vorgemacht, dass ein Titel, der im Vorfeld hoch genug gehypet wird, den eigenen Beta-Status nichtmal mehr erleben muss, um sich als Million-Seller wie geschnitten Brot über die Theke flutschen zu sehen. Wenn es gut läuft für den Kunden, erbarmt sich ein Entwickler ja zumindest noch, die gröbsten Fehler nach Release auszubügeln. Muss aber offenbar auch nocht mehr zwangsläufig sein. Warum auch Geld für sowas ausgeben, wenn die Community das doch auch praktisch umsonst erledigen kann. Und wagt sich mal jemand über derlei Machenschaften zu beschweren, wird ihm einfach mit Entzug der Liebe des Publishers (sprich: Anzeigenstopp) gedroht und gut ist. Das macht man ein oder zwei Mal und danach hat sich alle Welt an die Verhältnisse gewöhnt und schwankt wie Schlachtvieh zur Supermarktkasse, um sich wieder einmal 40 bis 60 Euro für ein gutes Beispiel mieser Programmierung aus den Taschen ziehen zu lassen.

Nun kann und sollte man über kleinere Mängel bei PC-Spielen hin und wieder einfach mal den Mantel des Schweigens legen. Immerhin ist jeder Spiele-Computer irgendwie anders. Da tummeln sich unter heimischen Schreibtischen schonmal gut und gerne 450.00 verschiedene Prozessoren, 4,37895 Millionen unterschiedliche Speicherriegel und mindestens 3 Milliausend Treiberversionen. Natürlich nur geschätzt. Kann halt mal vorkommen, dass da irgendwas nicht ganz korrekt läuft. Bei guten Qualitätskontrollen nicht erst in der Schlussphase einer Produktion sollte aber auch das nur sehr selten der Fall sein.

Anders hingegen sieht es bei den Konsolen aus: Hier wird für ein festes, immer gleiches (naja, fast. Wir vergessen jetzt einfach mal, dass es mittlerweile zig verschiedene Editionen der 360 und PS3 gibt) System mit immer gleicher Konfiguration und immer gleicher Rechenleistung programmiert. Da sitzen am Ende der Produktionskette verdammt große Konzerne, die das letzte Wort darüber haben, welches Spiel letztlich tatsächlich für ihre Konsolen erscheinen darf. Und die ein nicht geringes Interesse daran haben sollten, dass größtenteils qualitativ vertretbare Ware angeboten wird, immerhin sind es die Games selbst, aus denen sie sich ihren eigentlichen Gewinn erwirtschaften. Aber trotzdem scheint man mittlerweile zu glauben, dass die Festplatten von Xbox 360 und Playstation 3 einzig und allein dem Zweck dienen, ausreichend Speicher für Software-Flicken von schlampig gestrickten Games zu bieten. “Hey cool, da ist ne Festplatte in der neuen Konsolengeneration. Lass uns PES 2008 doch einfach schonmal rausbringen und einen anständig funktionierenden Online-Modus einfach später nachreichen!”, wird man sich deshalb wohl bei Konami gedacht haben. Gesagt, getan. “Drängt aber eigentlich auch nicht, damit können wir uns ruhig Zeit lassen”, kam es da bestimmt noch in irgendeinem Meeting locker zur Sprache.

Anderes Beispiel: Assassin’s Creed. Wie lange war das Teil jetzt in Arbeit? 3 Jahre? 4 Jahre? Wie viele Millionen hat man darin investiert? Egal, vermutlich ging der Großteil des Budgets sowieso für Jade Raymonds Flugreisen quer durch die Welt drauf. Eigentlich auch ein geiler Trick: Wir schicken einfach ein geiles Bunny vor, der die gesamte Spielerschaft mit blutleerem Kopf hinterherhechelt – und niemanden störts, wenn unser Spiel dann einfach mal mittendrin einfriert und gar nichts mehr geht. Jades Augenklimpern wirds schon richten. Dummerweise tut Assassin’s Creed aber eben genau das: einfrieren. Hat man im Hause Ubisoft auch schnell erkannt und noch schneller einen Patch hinterher geschoben. Blöd nur, dass der auch nicht so richtig funktionieren mag. Noch blöder, dass man sich das alles irgendwie nicht so richtig erklären kann. Aber bitte… das macht doch nichts! Wir haben doch immer noch Jade. Die dürfen wir zwar nicht in die Hand nehmen und an ihr rumdrücken, wie am 360 Controller, aber anschauen reicht doch sicher auch. Genau wie man sich bestimmt auch gerne mal ein 65 Euro Standbild auf seinem sündteuren HD-Fernseher ansieht, den man sich extra für den Spielegenuss der nächsten Generation angeschafft hat. Herrlich, ich seh die dummen Gesichter regelrecht vor mir.

Das alles kommt einem doch irgendwie vor wie eine schöne Partie Tetris im Duell-Modus: Vorher wird ordentlich die Klappe aufgerissen und dem Gegenspieler (Kunde) Erfurcht eingeflößt und hinterher mag dann irgendwie kein Stein zum anderen passen, alles plötzlich gar nicht mehr so rund laufen.

10 Comment

  1. “[…]und niemanden störts, wenn unser Spiel dann einfach mal mittendrin einfriert und gar nichts mehr geht.”

    Witzig, dass du das Ansprichst. Beide Fälle sind mir beim Durchspielen von “Assassin’s Creed” jeweils genau einmal passiert. Eingefroren ist das Spiel bei mir ohne ersichtlichen Grund (während des Speichervorgangs…), sämtliche Eingaben ignoriert hat das Spiel bei mir am Ende eines “Verhörs”. Normalerweise beseitigt Altair dann seinen Gesprächspartner mit seiner versteckten Klinge. Zu doof, dass ich aufgrund eines vorherigen Kampfes einen zu großen Abstand zu meinem Opfer hatte, daher also die Tötungssequenz nicht abgespielt wurde und nichts mehr ging. Außer Abschalten.

    Ärgerlich, ja. Aber das ändert meiner Meinung nach nichts daran, dass “Assasin’s Creed” ein (meiner Meinung nach) gutes Spiel ist. Und nein, Jade Raymond hat mich bei dieser Entscheidung nicht beeinflusst.

    Aber nun zum eigentlichen Thema: Die Patch-Problematik. Auch wenn ich über kleine Fehler hinweg sehen mag, grobe Aussetzer (zum Beispiel Abstürze bei “Avatar” auf Wii, KI-Aussetzer in Form von völligem Stillstand der Gegner bei “The Simpsons Game” auf Wii oder die oben genannten Fehler von “Assassin’s Creed”) jedoch dürfen nicht sein. Patchen sollte auf Konsolen nicht zur Gewohnheit werden. Man zahlt ohnehin schon in der Regel mehr Geld für Konsolen- als für PC-Titel. Da möchte ich auch, dass die ohne Probleme und grobe Fehler laufen. View all comments by Alanar

  2. Das Schöne ist ja, dass der Zocker zum (zahlenden) Beta-Tester wird. So toll auch die Online-Möglichkeiten der neuen Konsolen sind, sie lassen aber auch die Tür für Patches und Downloadable Content offen, wo man dann für Maps und ähnliches wieder tief in die Tasche greifen kann. Warte nur auf das erste Spiel, wo man die ersten zehn von zwanzig Level problemlos spielen kann und dann für den Rest zahlen muss. Oder um neue Fahrzeuge in einem Rennspiel freizuschalten. View all comments by Stephen

  3. Naja, dein Jade Raymond Bash ist ja schon irgendwie klassisch. Erfolgreiche Frau in der Geschäftswelt die auch noch hübsch ist – da wird als Mann gern mal drauf rumgehackt, auch wenn es argumentativ überhaupt keine Rolle spielt. Und du hackst ja auch munter weiter. Mal im Ernst – das ist doch nur ein verlockender Angriffspunkt, ihr Verhalten unterscheidet sich doch nicht von männlichen Marketingkollegen, oder? Find ich ein bisschen zu Klischee deine Einflechtungen von ihr. Eben so typisch IT-Mann.

    Dem Grundtenor deines Artikels kann ich natürlich nur zustimmen. Ich bins ja gewöhnt Beta-Tests zu spielen wenn ich die Möglichkeit dazu hab, da bezahl ich aber auch nichts für und geh mit einer viel toleranteren Mentalität ran, wenns aber ein Vollpreisspiel ist, nervt das schon ziemlich. Als intensiver Steam-User kommen die Patches bei mir zwar bei fast allen Spielen automatisch und meist auch sehr fix, das nervt dann weniger, aber bei Titeln wie Gothic ist es schon haarsträubend.

    Nextgen-Konsolen sind ja technisch so frisch, dass die Entwickler sicher noch nicht so “drin” sind in der ganzen Geschichte. Aber gerade hier sollte ja aufgrund der statischen Hardware kein Riesenproblem vorliegen, wenigstens die Qualitätssicherung sollte doch bei Problemen auf Konsolen rechtzeitig einlenken… Ich denke auch, dass die Publisher / Entwickler die Fehler bewusst in die Final-Version lassen, einfach aus Zeitdruck. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es manchen Entwicklern auch peinlich ist.

    Demnach ist es wahrscheinlich hauptsächlich im zu knappen Produktionsplan begründet. Hier werden wahrscheinlich die Entwickler auftrumpfen, die genug Puffer oder Unabhängigkeit besitzen um sich die Zeit zu nehmen. Oder jene, denen Qualitätssicherung was wert ist. Ich hoffe, dass den großen Namen in Zukunft ihr Ruf auch was wert ist. View all comments by laZee

  4. Das war überhaupt kein Jade-Bash. Ich find die Frau knorke. Aber die Politik dahinter ist doch echt clever: Ubi hat das Spiel während der gesamten – verdammt langen – Marketingkampagne einzig und allein über Jade Raymonds vermarktet. Bzw. bewußt in Kauf genommen, dass über sie Aufmerksamkeit für ein Produkt zu bekommen, ohne dass das Produkt selbst in irgendeiner Weise zu sehr ins Kreuzfeuer gerät. Die versammelte Fachpresse ist ja auch freudig drauf angesprungen, hat lieber auf Jades hübsche Augen aufmerksam gemacht, als auf größere Macken in Technik und Design. Und hinterher kam dann die Enttäuschung, dass das Spiel irgendwie viel zu abwechslungsarm sei. Wie gesagt: eine geschickte Kampagne, eine geschickte Strategie. Auf nichts anderes lief der Abschnitt hinaus. View all comments by Christian

  5. @ Stephen: “Warte nur auf das erste Spiel, wo man die ersten zehn von zwanzig Level problemlos spielen kann und dann für den Rest zahlen muss. Oder um neue Fahrzeuge in einem Rennspiel freizuschalten.”

    Darauf muss man nicht warten, das gibt es schon. “Forza 2” zum Beispiel bietet über den Xbox Live Marktplatz neue Autos an. Ein paar (drei, glaube ich) sind kostenlos, weitere muss man im Tausch gegen Microsoft Points eintauschen. Und die Geschichte mit den kostenpflichtigen Level gibt es, wenn ich mich nicht irre, bei “Beautiful Katamari”. Die Dateien für die downloadbaren Level sollen angeblich so klein sein, dass es sich dabei unmöglich um einen tatsächlichen Level handelt. Viel mehr wird vermutet, dass es sich hierbei nur um einen Key handelt, der bereits auf der Disc befindliche Level freischaltet. Kostet natürlich Microsoft Points.
    Während ich den “Forza 2”-Fall bestätigen kann, bin ich bei der “Katamari”-Geschichte nicht allzu sicher, ob das richtig ist. Das habe ich lediglich aufgeschnappt. Jedenfalls sind wir von deiner vorhergesehenen Zukunft gar nicht mal so weit entfernt. 😉 View all comments by Alanar

  6. @Stephen: Die Praktik, Bonuscontent oder weitere Strecken, Levels etc. anzubieten, ist ja mittlerweile tatsächlich nichts neues mehr.
    Äußerst bedenklich wäre allerdings, wenn zukünftig tatsächlich Spiele erschienen, bei denen man erst irgendwelche zusätzlichen Flicken und Bezahlcontent runterladen müßte, um jemals das reguläre Ende zu erblicken. So weit wirds aber, hoffentlich, nicht kommen. Hoffentlich. View all comments by Christian

  7. @Alanar: Das mit Katamari fände ich wirklich verdammt unverschämt, wenn es wahr ist. View all comments by Christian

  8. Bei diesen zu patchenden Betas handelt es sich nur um eine weitere Methode, die Konsoleros ans Netz zu zwingen. Ohne Internet-Anschluss hast du keine Upgrades, keine ach so tollen AddOns in Form von neuen Levels, Characters oder sonst was und und und.
    Das letztliche Ziel dabei ist aber nur der gläserne Spieler, der dann bequem und gezielt mit Werbung penetriert werden kann. Die beworbenen Produkte soll er dann naturlich auch gleich online über seine Konsole erwerben. Weils so bequem für den Kunden ist? Nein, weils so einträglich für die Spieleindustrie ist und weil man so gleich erfährt, bei wieviel Prozent die Marketingbemühungen zu einem ‘Sale’ oder wenigstens ‘Lead’ geführt haben.

    Tolle neue Konsolen Welt! Ich sage: Zieht das Patchkabel ab von eurer Konsole! View all comments by rawgamer

  9. “Ich sage: Zieht das Patchkabel ab von eurer Konsole!”

    Keine schlechte Idee eigentlich. Bloß wenn das Spiel dadurch dann unspielbar wird, hilfts auch nix. Aber vielleicht gibts ja tatsächlich irgendwann einmal bei irgendeinem Toptitel einen kompletten Boykott und die Publisher wachen endlich mal auf.
    Ich persönlich glaube es aber leider auch nicht. View all comments by Christian

  10. Tja die MMORPGs haben es ja vorgemacht. Da wurden Spiele im Alpha Status zum Testen freigegeben und die Spieler haben sich um die Keys gerissen und teilweise sogar Geld dafür bezahlt. Solange die Spiele immer so gehyped werden wird sich wohl nichts ändern… View all comments by Matti von Mattis World of Warcraft Blog

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