Weg mit all dem überflüssigen Ballast

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Es ist soweit! Endlich macht auch mal die Industrie ihre Klappe auf und wendet sich gegen überhöhte Jugendschutzforderungen, sinnlose Gesetzesverschärfungen und unsauber definierte Begriffe. Und das in der Öffentlichkeit! Ohne vorangegangenen Amoklauf! Man könnte glatt anfangen, an Zeichen und Wunder zu glauben. War aber klar, dass solcherlei Kritik eher von den ‘etablierten’ Medien zu erwarten ist, als vom BIU oder seinen Stellvertretern. Leider war auch hier wieder einmal nur die USK aktiv beteiligt, die nicht nur gegen ihren in letzter Zeit aufgekommenen schlechten Ruf (Danke, Herr Pfeiffer), sondern auch gegen die Untätigkeit der Branche in der Öffentlichkeit anzukämpfen hat. Aber sei’s drum, Hauptsache, es tut sich überhaupt mal was. Bei einer Debatte im Bundestag haben Vertreter von Selbstkontrolleinrichtungen und Kinderschutzverbänden nämlich am Dienstag für eine stärkere gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Eltern im Jugendschutz plädiert. Konkret soll es bei dem Vorschlag -entgegen der aktuellen politischen Diskussion- um einen Abbau von Reglementierungen durch den Jugendschutz und eine Stärkung der Medienkompetenz von Eltern und Lehrern gehen. Ein Ansatz, den gerade wir von GameParents.de entschieden unterstützen.

 

Christiane Wahlert, Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), hält in diesem Zusammenhang einen “präventiven Jugendschutz” für deutlich sinnvoller, als die ständig neuen Forderungen nach immer stärkeren gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen. Zwar sieht auch Wahlert einen “Missbrauch des Medienkonsums bei Kindern“, allerdings hält sie es für nahezu unmöglich, dass mit Bestimmungen zur Abgabe bestimmter Inhalte an bestimmte Altersgruppen auch die Rezeption der Inhalte beeinflusst werden könnte. Sprich: nur weil etwas für eine bestimmte Altersgruppe verboten ist, heißt das noch lange nicht, dass es von dieser Altersklasse nicht trotzdem gesehen/gespielt wird. Nach wir vor sind es oftmals gerade die Verbote, die ein Medium für Jugendliche besonders reizvoll machen. Nicht zuletzt deshalb bezeichnete Wahlert die hierzulande geltenden Jugendschutzbestimmungen in ihrem “Plädoyer wider den Alarmismus” als “Erbe des moralistischen Diskurses des 17. Jahrhunderts“. Jugendschutzdebatten, wie sie derzeit geführt werden, sind angesichts der sich immer rascher weiterentwickelnden Medien längst mehr als überholt.

Als Maßnahme gegen den ‘Missbrauch’ bestimmter Medien durch Kinder und Jugendliche helfen keine Verbote, sondern letztlich nur eine “schönere Kindheit”. Eine Kindheit also, in der sich Eltern und Erziehungsberechtigte mit ihren Kindern auseinandersetzen und sie bei ihrem Medienkonsum begleiten, Regeln aufstellen und Grenzen setzen. Dieser Meinung schließt sich ebenfalls Klaus Spieler, seines Zeichens Geschäftsführer der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) – und damit zuständig für die Alterseinstufung von Computerspielen – an. Eltern, Erziehungsberechtigte und Pädagogen müssten begreifen, dass der sinnvolle Umgang mit Spielen genauso durch Erziehung vermittelt werden könne, wie bei jedem anderen Medium. Das bedeutet aber auch, dass sich zunächst ein Großteil der Eltern selbst intensiv mit neuen Medien und Computerspielen auseinandersetzen müßten. Eine Anstrengung, die den meisten vielleicht schon zuviel ist?

Fest steht: Sich in Fragen des Jugendschutzes einzig und allein auf den Gesetzgeber zu verlassen, ist eindeutig der falsche Weg. Einige Überlegungen zur Änderung des aktuell gültigen Jugendschutzes scheinen vielmehr auf eine Medien-Zensur hinauszulaufen, die auf lange Sicht nur dem erwachsenen Rezipienten schaden kann. So kritisiert Johannes Klingsporn vom Verband der Filmverleiher, dass es selbst für Filme immer schwieriger werde, überhaupt ein Alterskennzeichen der FSK zu bekommen. Was einerseits ob der scheinbar sinkenden Altersgrenzen bei Filmen ein wenig verwundert (Ein Beispiel: Ich hätte die letzten Harry Potter-Verfilmungen als Kind ganz sicherlich nicht sehen dürfen). Andererseits zeigt er damit auf, dass es selbst für Erwachsene immer schwieriger wird, für sie produzierte Inhalte sehen zu können. Viele Filme, die hierzulande mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren erscheinen, wurden im Vorfeld beschnitten und gekürzt. Kein Wunder also, wenn Klingsporn sich empört: “Hier hört für uns das Verständnis für Jugendschutz auf“. Vermutlich nicht nur bei ihm, sondern auch bei vielen Kinogängern.

Nun hat die Filmbranche generell eine stärkere Lobby als Computerspiele, kann sie doch unter anderem auf eine deutlich längere Tradition zurückblicken. Außerdem erscheint der Verband der Filmverleiher zumindest nach außen hin deulich geschlossener, als es in der Computer- und Videospielbranche derzeit noch der Fall ist. Ein deutliches Zeichen dafür, wie schlecht die Spieleindustrie nicht nur nach außen hin aufgestellt ist, gibt nach wie vor der mehr als bedauerliche Zerfall des Branchenverbandes VUD (Verband der Unterhaltungssoftware Deutschland) vor einigen Jahren, in dem Entwickler und Publisher gleichermaßen organisiert waren. Heute, so scheint es, kochen beide Fraktionen in Form des BIU und des G.A.M.E. lieber ihr eigenes Süppchen, behindern sich in der Öffentlichkeit damit jedoch mehr, als sie sich helfen. So wird er auch eher auf Gehör stoßen, wenn er vor der Gefahr von “Wischi-Waschi-Begriffen” im aktuellen Gesetzentwurf der Familienministerin warnt, als es der Branchenverband der Videospielepublisher, BIU, derzeit wohl jemals erwarten könnte. Vor allem die Einführung des Begriffs “gewaltbeherrschter” Medien im Gesetzentwurf zur Änderung des Jugendschutzgesetzes dürfte aber beiden Fraktionen gleich sauer aufstoßen. Da dieser bislang, ebenso wie der Begriff der ‘Killerspiele’ nicht einmal annähernd eindeutig definiert ist, gilt er als besonders problematisch.

Als gewaltbeherrscht könnte demnach bald jedes Medium gelten, in dem Gewalt mehr als eine völlig untergeordnete kleine Nebenrolle spielt. Als Resultat würden künftig deutlich mehr Medien der Indizierung anheim fallen, sprich: könnten selbst an Erwachsene höchstens noch ‘unter dem Ladentisch’ verkauft werden. Eine Überregulierung des Jugendschutzes trifft aber längst nicht mehr nur noch die mit Argwohn beäugten Gamer, die so genannten Killerspiel-Spieler und Horrorfilmfans. Nein, selbst die deutsche Presse, wie etwa die renommierte Tageszeitung FAZ, muss sich mittlerweile vorab auf “selbstzweckhafte” Gewaltdarstellungen durchleuchten lassen, wie Christoph Fiedler vom Verband Deutscher Zeischriftenverleger betont. Nachrichten als gewaltverherrlichendes Medium? So weit ist es offenbar schon. Ganz davon abgesehen, dass eine Verschärfung des Jugendschutzes keine wirkliche Hilfe gegen den ‘Missbrauch’ durch Jugendliche darstellt, solange nicht viel mehr Aufbauarbeit auf Ebene der Medienkompetenz geleistet wird, führt die Überregulierung des Jugendschutzes bereits jetzt zu einer völligen Überbeanspruchung der Kontrolleinrichtungen.

So müssen etwa selbst Fernsehproduktionen, die auf DVD erscheinen, erneut durch die FSK geprüft werden. Obwohl sie bereits vor Ihrer Ausstrahlung durch die entsprechende Instanz eingestuft wurden. Was dazu führt, dass sich Prüfer der FSK tagelang mit der Sichtung von “Verliebt in Berlin“-Folgen herumschlagen müssen. Was nun wirklich ein wenig übertrieben ist. Außer, man will Kinder und Jugendliche wirksam vor dem unglaublichen Schwachsinn schützen, der da Tag für Tag auf die Zuschauer abgefeuert wird.

Generell bleibt deshalb feszuhalten, dass der gesetzliche Jugendschutz in seiner derzeitigen Form nicht nur ausreichend funktioniert, sondern noch dazu völlig überreguliert ist und sich zu sehr an moralistischen Werten der vergangenen Jahrhunderte festhält, statt sich an tatsächliche Gegebenheiten und Realitäten anzupassen. Was wir brauchen sind keine immer stärker einschränkenden Vorschriften, sondern vielmehr ein Mehr an Verständnis für neue Medien, neue Darstellungsformen und den Umgang mit ihnen. Erst, wenn Eltern tatsächlich bereit sind, sich ausführlicher mit ihren Kindern und deren Medienkonsum zu beschäftigen, bekommt der Jugendschutz eine Chance, tatsächlich so zu funktionieren, wie es immer gedacht war.

5 Comment

  1. Auch ein schöner Artikel, der noch über Filme/Spiele hinausgeht:
    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26478/1.html

    Und weil’s grad gar nicht passt, mal zwei formale Fragen:
    1. Kann man dieses Kommentarvorschauding irgendwie abstellen? Die Geschwindigkeit des Textfeldes ist auf meinem etwas älteren iBook derart unterirdisch, dass ich hier äußerst ungerne kommentiere.
    2. Warum schreibst du manche Eigennamen fett? Empfinde ich persönlich eher als irritierend, denn als Lesehilfe. View all comments by Ben

  2. OK, Live Comment Preview ist abgeschaltet. Gib mal Rückmeldung, obs nun besser funktioniert. Zugegeben, sonderlich hilfreich ist sie wirklich nicht.
    zu 2. Ich finds eigentlich ganz schön, wenn man ein paar optische Anker im Text hat. Genau genommen schreib ich Eigennamen kursiv, das Theme setzt sie jedoch als Fettdruck um. Könnte die Funktion auch abschalten, aber irgendwie hab ich mich dran gewöhnt. View all comments by Christian

  3. Danke für das Abschalten des Previews der Comments, bei mir wars auch unerträglich :).

    Text hab ich noch nicht ganz lesen können, so lang, mach ich aber noch :p. Aber wo wir schon bei Formatierung sind: Ich find die fettgedruckten Sachen ganz nett. Mir wären allerdings besser abgegrenzte Absätze lieber – so mit Leerzeile dazwischen 🙂 View all comments by laZee

  4. Junge Junge, Ihr seid aber momentan alle kleinlich 😉 Äh, die hab ich normalerweise auch drin. Hab ich diesmal gar nicht rauf geachtet, beim rüberkopieren des Textes. Kleiner Flüchtigkeitsfehler.
    View all comments by Christian

  5. Ah, wunderbar… danke für’s Preview abschalten. Nun läuft es so wie’s laufen sollte: Flüssig! View all comments by Ben

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